Veröffentlichungen in Kategorie "Monolog"

Britney

Anschluss-Tags #britney #freiheit #instagram #emazipation

 

Seit Britney Spears frei ist, wirkt sie viel unfreier.

Wirkt sie VIEL unfreier.

Viel unfreier, ja -

VIEL

Sie zeigt sich halbnackt in ihrem Instafeed, tanzt wie unter Zwang und schaut in einer Art Wahnzustand in die Kamera. Sie verhält sich so, als stünde sie unter einer fremden Macht, dabei ist, was sie tut, alles was sie tut, Ausdruck einer befreiten Person, einer befreiten Britney Spears -

- die nicht mehr unter der Fittiche ihres Vaters steht und eben, ja, tun und lassen kann, was sie will.

- tun und lassen kann, was sie will.

Ist das eine Emanzipation, eine Form der Emanzipation?

Wenn wir, wenn wir das sehen, ihr Verhalten als unfrei empfinden, wer muss dann hier sein Freiheitsverständnis hinterfragen? Wir oder Britney? Und ist die Freiheit, die wir dann aus dieser Fragestellung heraus schälen, eine andere Formulierung für

„LEAVE BRITNEY ALONE!“ -

- nun, wohl auch nicht ganz -

- nun wohl auch nicht ganz, ja, denn Britney alleine zu lassen, ist kein Weg, der uns zur Verfügung steht, wir können sie ignorieren und ihr zum Beispiel nicht mehr folgen, aber das hätte ja, selbst wenn ganz viele dies täten, nicht zur Folge, dass sie dort auf Instragram nichts mehr aussenden würde. Weniger würden es sehen, das ja, aber ihr Verhalten dort auf Instagram ist nicht das Verhalten einer allein gelassenen Person, es ist ein öffentliches Verhalten und schon an diesem Punkt könnte man sagen, es ist per se nicht ganz frei, weil es immer unter dem dem Aspekt inszeniert wird, dass jemand es anschauen wird. Das ist ganz unabhängig von Britney das Wesen dieser Plattform „Instagram“, und dennoch ist wiederum das Aussenden von Britney auch das Wesen von Britney, das ist ihr Schicksal, das ist so, was will sie machen, sie kann nicht, ob sie will oder nicht, nicht aussenden. Sie kann nicht nicht aussenden.

Sie sendet
und sendet
und sendet

Ich sagte ja: Sie kann nicht nicht aussenden.


Kannst Du Dich erinnern?

Ich erinnere mich gut … wo … woran?

Ihren ersten Hit.

Hit me Baby One more time

Später dann kamen dann

Sometimes

You drive me crazy

Born to make you happy

From the bottom of my broken heart

Und dann: Oops, I did it again

Oops war ursprünglich ein Wort der Fernsehsendung "dingsda". Wenn die Kinder, die dort Begriffe umschrieben, welche Prominente raten mußten, das zu umschreibende Wort benutzten, dann wurde es durch "oops" ersetzt. Um die Jahrtausendwende übersetzte -> Britney Spears das Wort für sich und brachte das Lied "Oops, I did it again" heraus. Unnötiger Weise entbrannte anhand dieses Songs ein Streit darüber, wie man "oops" nun vom englischen ins Deutsche rückübertragen könnte. 2001 schlug der renommierte Übersetzer David Gieselmann vor, den Liedtitel so zu übertragen: "Heititei, ich tat es schon wieder". Dieser Vorschlag wurde aber von kleinkarierten Silbenzählern abgeschmettert. Der damalige Popbeauftragte Dietmar -> Poppeling gab als offizielle Übersetzung der Bundesregierung 2002 "Hui, schon wieder passiert" aus, welche sich aber in der Poppraxis kaum durchzusetzen vermochte. Als stabilste und tatsächlich im alltäglichen Gebrauch verwendete Fassungen entstanden 2003 die Übersetzungen "Hoppla, ich bin doch ein Schelm" und "Hopsassa, ich tat es erneut".

IMG_1265Die Frage, wie frei eine Frau wie Britney Spears sein kann, sieht man einmal von der Tatsache ab, dass keine Frau wie Britney Spears existiert, und wie Britney Spears dementsprechend nur eine Frau ist - nämlich Britney Spears selber -, diese Frage also, wie frei diese einzigartige Britney sein kann, ist natürlich von zeitdiagnostischem Belang. Doch wer ist Britney? Marty Mc Fly, what ever you do: Don’t go to 2021. Heititei, ich tat es schon wieder. Britney ist jedenfalls inzwischen ein Gefäss, eine weiße Leinwand für popkulturelle Gedanken und gleichzeitig ein Indika- und KatalysaTOR für die Frage, ob etwas ein popkultureller Gedankengang ist. Spoiler Alert: Fast alles ist dies. Da steht sie nun, der arme IndikaTOR, und ist so klug als wie zuvor. Indikatoren stellen innerhalb der empirischen Sozialforschung eine begrenzte Stichprobe aus der Menge derjenigen empirisch prüfbaren Sachverhalte dar, welche ein theoretischer Begriff durch seine Bedeutung abdeckt. Und insofern, was immer man von ihrer Musik halten mag, und ich, das sei hier eingeworfen, ich auch, halte von ihrer Musik sehr viel, aber wie gesagt, auch wenn dem anders wäre, muss man ihre Standhaftigkeit und Relevanz innerhalb einer globalisierten Popkulturlandschaft über mehrer Jahrzehnte und trotz jahrelanger Entmündigung bewundern. Und in dieser Sichtweise und daher also konsequenter Weise als erwiesen ansehen muss man ihren Kahlschlag des eigenen Kopfes, als sie sich also die Haare abrasiert hat, als einen emanzipatorischen Akt ansehen. Emanzipatorisch in dem Falle also aber nicht nur für Britney als Frau - sondern auch Britney als Popstar, die die Kontrolle über ihr öffentliches Bild wieder erlangt, in dem sie selber Bilder produziert, von sich produziert und verbreiten lässt, in dem sie erstmalig (wieder) so aussieht, wie alleine sie jenseits von Styleberater:innen aussehen will und dann eben auch aussieht. Wie sang sie doch noch in „I’m a slave for youu“? Sie sang: „I'm a slave 4 U / I cannot hold it / I cannot control it / I’m a slave 4 U / I won't deny it / I’m not trying to hide it.“ - und mit dem Kahlschlag eben wurde sie, vielleicht auch nur kurzfristig, aber durch die Öffnung eines Optionsraumes eben doch mittel-, wenn nicht gar längerfristig zur Herrin ihrer eigenen Bilder. „All you people look at me like I'm a little girl/ Well did you ever think it'd be okay / For me to step into in this world.“ - vielleicht ist gar dieses Lied emanzipatorisch? Ich bin jedenfalls der Meinung, und ich sage das hier in aller Deutlichkeit und unterstreiche das auch hier noch mal mit symbolisch dickem, rotem Filzstift, dass wenn dies im wie geschilderten Sinne ein emanzipatorischer Akt war, dass Britney sich die Haare raufte, sorry scherte, dass sich dieser dann auch auf unser Dasein in dieser pop-geprägten Gegenwart auswirkt, denn wir, heute, produzieren alle Bilder unserer Selbst, und wir haben uns nie befreit von irgendwas, weniger noch: Wir haben nie gemerkt, dass wir es müssten, wir fristen unser Dasein im Optionskorridor der sozialen Medien, und sind Opfer der dort begrenzten Möglichkeiten. Erst wenn wir merken, dass die Bilder, die wir von uns selber erzählen, zu allererst etwas über das Medium erzählen, auf dem wir sie zu Narrativen stilisieren, erst dann sind wir in der Lage, uns exakt dagegen zu wehren, und wenn wir diesen popkulturell emanzipatorischen Akt des digitalen Detox auch für uns erkennen, sind wir in der Lage sind, ihn zu überwinden, und exakt dabei kann uns eben, auch wenn Sie sich diesen Abend hier fünf Mal ansehen, dabei kann uns eben Britney mehr helfen, als dieses hilflose Stück. Dies ist ja eh kein STÜCK. AGITPROP. DIES IST KEIN STÜCK. DIES IST NUR EIN STÜCK DESSEN, WAS IN LETZER KONSEQUENZ DIE EMANZIPATION VON UNSEREN OPTIONSKORRIDOREN DER SOZIALEN MEDIEN - hahaha! Als wären diese Medien, die wir sozial nennen, per se sozial, ZU SEIN HAT. Auch so ein Wort unserer heisslebigen, internetten Gesellschaft: FRAMING. Wir müssen uns aus den NARRATIVEN und FRAMINGS des 21. und 22. Jahrs des 21. Jahrhunderts befreien, und es sind diese Befreiungsmomente, diese Emanzipation, diese Aufklärung 2.0, die wir von Britney lernen können, und die vielen so Angst macht, heute: Gendergaga, fluide Geschlechter, gleiche Rechte für Alle, Diversität - alles das verlangt den Menschen, die das nicht als drängend betrachten, etwas ab, und sie wollen, ob sie wissen, ob sie wollen oder nicht, spielt dabei keine Rolle, sie wollen die Rollen, die ihren Framings und Narrativen entsprechen, die Rollen für Alle in diesen Narrativen, bewahren, betonieren, verteidigen, und viele von diesen Bewahrer:innen, Betonierer:innen, Verteidiger:innen merken gar nicht, wie REAKTIONÄR ihr Gebaren, ihr starres Festhalten, ihr Betonieren, Verteidigen, Bewahren ist. Und sie wissen wohl möglich nicht einmal, nicht nur nicht, warum, nicht einmal, WAS sie bewahren wollen, und sie verlieren aus den Augen damit auch WIE Sie bewahren wollen. Denn ihr WIE ist noch reaktionärer als ihr WAS. Und da koppeln wir wieder zurück zur Britney Spears, Mcfly
BRITNEY, Marty Mc Fly, what ever you do: Don’t go to 2021, bitch, Britney, it’s Britney Bitch, die Rück-Koppelung besteht darin, wie … erinnern Sie sich an die befreite Britney, die wieder tun und lassen konnte, was sie wollte, Ende 2021, erinnern Sie sich, eine Frau, die 13 Jahre lang unter der Vorherrschaft ihres Vaters stand, und die jetzt auf einmal wieder Dinge tun darf, die nicht mehr alles, was sie tut, mit ihrem Vater besprechen muss, die stellt auf einmal fest: Ich bin nicht nur Britney Bitch, ich bin WTF Millionärin, und ich kann fucking alles auf der Welt tun. Und sie fliegt rum und macht fast nackte Bilder von sich von ihrem Körper, ihre Befreiung ist die Befreiung einer wirklich lange nicht Befreiten, und sie räkelt sich halb nackt am Strand, bedeckt ihre Brüste auf instagram mit goldenen Sternen aus dem Preset-Filtern der Filterblase der Kilogramm-schweren instant-plattform instagram, und sie trinkt Drinks mit ihrem Verlobten, am Strand, an Bars, im Flieger, die hat halt ein Charterflugzeug und fliegt herum, und okay, sie mag dabei den Klimawandel dezent übersehen, aber wie soll sich eine doppelt befreite Millionärin angesichts der inneren und äußeren Gefängnisse, aus denen sie sich befreit hat, wie soll sie denn die Freiheit spüren? Dann spürt sie eben die Freiheit dadurch, dass sie mit ihrem Privatflugzeug durch die Gegend fliegt. Die noch nicht freie Britney verbreitete ja noch viel bizarrere Botschaften über die sozial genannten Kanäle, wenn es denn überhaupt Botschaften waren, im Fitness-Studio mit Ringen unter den Augen, mit Stolz auf etwas, das wir nicht sehen konnten.

Anschluss-Tags #britney #freiheit #instagram #backtothefuture

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung und Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Abschnitte. Das Recht der deutschsprachigen Aufführung ist nur von David Gieselmann / Wohlwillstr. 4 / 20359 Hamburg / [email protected] zu erwerben.

 


Vapor

Anschluss-Tags #aneignung #vaporizer #theater #drogen

Da stehen die Kunstschaffenden, hören Sie ihn, da stehen gestandene Künstler:innen auf Stehparties mit Fingerfood und neben dem Fingerfoodplates, an denen man sein Weinglas einhängt, haben sie noch zwischenzeitlich in der anderen Hand hochgradig komplizierte elektronische Apparaturen, Vaporizer, in Taschen oder in wie gesagt der zweiten Hand, Apparaturen also, die Gras auf 180 Grad erhitzen, den Dampf wieder abkühlen und also smoothen Haschischdampf inhalieren lassen, der soft durch die Gehirne weht, und eigentlich so etwas wie die Molekularküche für Kiffende sind. Geräte mit Displays. Hören Sie ihn.

Ist denn das Gras dann aber auch Fair Trade?

Das hat jetzt erst einmal nichts mit den Geräten zu tun.

IMG_0423Und aber über diese Geräte tauschen diese Menschen sich aus. Gut aussehende Kunstschaffende, alle die sehen gut aus, und sie stehen da und sehen gut aus und tauschen sich aus und zeigen sich gegenseitig ihre Vaporizer. die diesen smoothen Grasdampf erzeugen, und tauschen sich über sie aus. Wie über Siebträgermaschinen und über guten Espresso tauschen diese stehenden, gestandenen, gut aussehenden Künstler:innen sich aus, und dann klingen die Gespräche auf einmal wie damals die, die sind schon fast wieder out, Gespräche über Viererketten und Umschaltspiel, diese Männer also, die solche Viererkettengespräche führen, die letztlich dem Fussball den Zufall austreiben wollen, so wollen die gut aussehenden Künstler:innen, Tatortschauspieler:innen zum Beispiel, den Drogen das Risiko austreiben.

Und da stehen Sie nun und unterhalten sich.

Da unterstehen Sie sich nun und halten sich.

Da stehen sie nun und nichts unterhält sie.

Da stehen sie nun und nicht hält sie.

Und sie unterhalten sich darüber, was die Welt,
im Innersten zusammen hält

Stehen da, ständig, stetig, unstrittig.

Sagen sie auch sowas wie
Neben den Vaporizern

wie

Das wird man ja wohl noch mal, man weiß ja gar nicht, WAS, sagen dürfen, was man noch sagen darf, da wird der Korridor, noch mal sagen dürfen, da wird der Korridor, sind Sie nicht auch, meiner kann ausserdem anzeigen, und man kann das anpassen, wird man ja noch mal anzeigen dürfen, die Temperatur, dann mache ich zum Beispiel das klassische Dope ein wenig heisser als das Gras. Dope reichen 165, Gras höher, wird man ja noch mal erhitzen dürfen, sagen dürfen, wo der Korridor, was zur Hölle wollen Sie den damit? Ich meine, Sie dürfen wohl mehr drin sein für Sie als, während Gras auch gut und gerne 185 Grad abkann, das Grad dessen, was man in dem Korridor, das ist kulturelle Aneignung, das ist ja genau das, weswegen -

Anschwellender Bocksgesang.

Ach die alte Kamelle.

Die Frage ist doch aber vielmehr, wenn ich dieses Stück hier schon mal -

Dies ist kein Stück.

- ja, ich erinnere mich, hier schon mal kritisieren darf, aber ist das jetzt die Revolution? Eine Originalität? Eine Stehparty, auf der sich Kunstschaffende gegenseitig ihre Vaporizer bestätigen. Wollen Sie uns, will und dieses Stück das, will uns der Autor das wirklich als seine Idee für Kulturpessimismus im Jahre 2022 näher bringen?

Das ist wirklich nur sehr mässig originell.

Ich wollte eben mal diese Geschichte loswerden. Ich steh da so auf dem Bahnsteig und warte auf meinen Zug, da kommt ein Kind vorbeigelaufen, vielleicht so drei oder vier Jahre alt, mit einem Luftballon. Einen Gasballon, der also in der Luft schwebt. Und der Vater ging so zwei, drei Meter hinter ihm und achtete auf ihn. Auf dem Bahnhof. Und das Kind lief mit dem schwebenden Ballon über dem Bahnsteig, und dann geschah Folgendes: Das Kind lief ziemlich nah an einem Wartenden vorbei, der rauchte. Und in einem Moment beiderseitiger Unachtsamkeit entzündete die Zigarette des Mannes die Aussenhülle des Luftballons und mit ihr das Gas darin. Das Kind schaute gerade zu einer aufsteigenden Taube und sieht genau in die in der Luft schwebende Stichflamme. So als wäre das Feuer die Verlängerung des Blickes des Kindes, wie in einem Fantasy-Film, für den kein Geld übrig war. Die Ballonhülle fällt mitsamt der Kordel auf die Hand des Kindes, und das Kind weint, und der rauchende Mann steht ziemlich hilflos auf dem Bahnsteig, und der Vater tröstet sein Kind, und der Mann wirft seine Zigarette auf die Schienen.

Und jetzt schön durch die Hintertür Emotion reinbringen, ja: Hahaha! Das ist alles so durchsichtig in diesem Stück. Und wahrlich: Das ist wirklich nur sehr mässig originell.

Wir hatten doch vorhin das Stück in Ich, da können wir doch.

Ich bin das Stück.

Was denn, Sie sind …

… das Stück.

Dieses hier?

Das ja; in dem auch wir gerade die Gegenwart sind.

Wo Sie schon mal da sind, Stück, muss ich Ihnen schon mal sagen, Stück, dass, was Sie hier versuchen, die Dreistigkeit, mit der Sie hier vorgehen, das ist schon echt ein starkes Stück, aber das heißt noch lange nicht, dass auch ein starkes Stück bei rauskommt. Zum Beispiel: Sich im Jahre 2022 noch hinstellen und sich über Vernissagen lustig zu machen, das ist doch 90er.

Sie wollen damit sagen, ich bin 90er.

Sie sind das Koks der Dramatik.

Und was ist mit der Dramatik des Koks?

Wo bleibt faires Bio-Koks?

Mit diesem Stück ist kein Staat zu machen.

Was genau finden Sie denn an mir so überholt? 90er? Was kritisieren Sie?

 

Anschluss-Tags #biokoks #theater #vernissage

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung und Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Abschnitte. Das Recht der deutschsprachigen Aufführung ist nur von David Gieselmann / Wohlwillstr. 4 / 20359 Hamburg / [email protected] zu erwerben.