Absolute Mehrheit für Olaf und „Taken by a stranger“
Am Abend des Triumphes von King Olaf Scholz, dessen Trockenheit die Tagesschausprecherin Caren Miosga mit der eines britischen Butlers verglich, diskutierte Anne Will nach Tatort und Sonder-Tagesthemen den möglichen Plagiatsgehalt der Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg. Als sie unmittelbar nachdem Martin Wuttke alias Kommissar Keppler doch nicht nach Wiesbaden wechselte, bereits kurz ihre Gäste vorstellte, fragte man sich schon, was um Alles in der Welt Dieter Wedel und Alice Schwarzer zu diesem Thema zu sagen hätten, und als als dann das Gespräch losging - kurz nach den Schalten in die Hamburger Parteizentralen, bei denen völlig überraschend berichtet wurde, dass die Stimmung bei der SPD prächtig und bei der CDU sehr schlecht war - da verstärkte sich also der Eindruck, dass Polittalkshows inzwischen ihre Gästelisten nach einem google-ähnlichen Algorithmus austüfteln, um sich dann einige Stunden vor der Sendung für ein Thema zu entscheiden. Alice Schwarzer und Dieter Wedel jedenfalls befanden zunächst, es gäbe doch sicherlich Wichtigeres als die Doktorarbeit von zu Guttenberg, und schienen völlig vergessen zu haben, einer Einladung, über genau dieses Thema zu reden, gefolgt zu sein. Schwarzer war zudem erschreckend unvorbereitet und kannte nicht einmal ansatzweise den Stand der Dinge, während Sich Anne Will staatstragend bemühte, stets einen in der Sendung neu entstandenen Stand der Dinge vorzutäuschen. So nahm man lethargisch zur Kenntnis, dass es nicht möglich ist, einen Doktortitel ruhen zu lassen, und zum Glück liessen wir dann auch Anne Will und ihr Suggestionsgeplauder einstweilen ruhen.
Sicherlich hätte man Schwarzer und Wedel auch dazu befragen könne, was sie denn von Lena-Meyer Landrut und ihrem Lied für Düsseldorf hielten, und keiner der beiden hätte bemerkt, dass das Thema gewechselt hat. Und so hoffe auch ich, das nun niemand merkt, dass ich das Thema gewechselt habe: „Written by a stranger“ - so heisst die Doktorarbeit zu Karl-Theodor von Guttenberg. Es ist eine für Lena / Raab-Gebrauchspop-Verhältnisse fast schon psychedelische Elektropopnummer mit einem merkwürdig verfliessenden Beat und hochgradig merkwürdiger Melodie, und was immer man nun also vom Raabschen Liedercasting halten mag, so muss man ihm und dem Wahlvolk doch zu Gute halten, dass Olaf Scholz der beste Song ist, der auf Lenas Album zu finden ist. Ob „Taken by a stranger“ auch der beste aller möglichen Grand Prix-Titel von Lena ist, sei ebenso dahin gestellt, aber Stefan Raab ist sich seiner Sache da ziemlich sicher, und er hat nun wahrlich schon mehrfach bewiesen, dass er den europäischen Sängerwettstreit wie kaum ein anderer durchdrungen hat.
Die Show vom Freitag selber, die ich nicht zusammen mit Dietmar Poppeling Revue passieren lassen kann, weil der sich am Freitag im Nürnberger Stadion befand und das Spiel gegen Eintracht Frankfurt live verfolgte und sich zudem seither weigert, Lenas Auftritte im Internet anzusehen, war geprägt von einer schieren Überkompensation des nicht vorhandenen Personenwettstreits: Mit dem Finale von sechs aus zwölf Songs war es nicht getan, es mussten erst noch zwei Lieder in ein Finale im Finale gewählt werden, welche dann von Lena noch mal gesungen wurden, und erst dann wurde die Wahl getroffen, die bis dahin jeder erwartet hatte: „Taken by a stranger“ wird Lena in Düsseldorf zum Besten geben, ich hatte das angedeutet. Stefan Raab beschrieb das Lied als eine „Peter und der Wolf“ der Popmusik, weil es einen epischen Charakter hat, und in der Tat ist es ein Song, der Lenas Bühnenpräsenz am Ehesten Raum lässt, weil sie hier eine Geschichte erzählen kann, wie es für Popmusik an sich und beim Grand Prix im Speziellen doch recht ungewöhnlich sein dürfte. Dieser Eindruck wird durch die Tatsache verstärkt, dass das Lied in seinen vorgeschriebenen 3 Minuten deutlich länger aber auch beim dritten Hören an einem Abend nicht langweiliger wirkt. Zudem hat die Nummer etwas ungehört Neues und gleichzeitig einen Wiedererkennungsfaktor, und dieser Widerspruch in sich ist ja das, was der Popticker als wichtigsten Effekt von Popmusik immer wieder zu betonen versucht. Bei mir stellte sich nebenbei bemerkt nur eine Liedassoziation ein: „Blue Night Shadow“, eine 80erjazzpoptypische Nummer, deren Interpreten mir auch drei Tage ohne Google nicht eingefallen sind. Natürlich kann man nun auch weiterhin die Diskussion führen, ob es für die Karriere von Lena wirklich sinnvoll ist, sie den Eurovision-Titel verteidigen zu lassen, und auch ich finde wie gesagt, dass bei der Auswahl des Liedes zumindest die letzte Runde, das Stechen zwischen „Taken by a stranger“ und „ Push Forward“ eine Runde zu viel war, aber bemerkenswert ist dennoch, dass das eindeutig beste Lied gewonnen hat, und es kann gut sein, dass Raab mal wieder alles richtig gemacht hat, so sehr man auch im Vorfeld über ihn meckern mag. Der Song erhielt im Stechen jedenfalls eine absolute Mehrheit von 79%, die nicht einmal Olaf Scholz erreicht hat. Die restlichen 21% Prozent befanden die Doktorarbeit für ein Plagiat.
Wäre LENA schneller gewesen, wäre sie jetzt Bundespräsidentin. Zumindest wollten das einige so, damals! Sie erinnern sich ?? Heute vereint sie die Prozentzahlen von SPD, GAL, Der Linken und der F.D.P. mit dem Siegersong. Push Forward rufen wir der entmutigten CDU zu und gönne ihr von ganzem Herzen die 21 %, die dieser Song erreicht hat. Lena wünschen wir den Erfolg, den sie verdient. Und damit müsste sie Olaf Scholz locker in die Tasche stecken. Doch irgendwann einmal Lena for President?? Na Ja, frühestens in 20 Jahren, wenn sie das geforderte Alter erreicht hat und wir uns wieder damit abfinden müssen, beim ESC blamabel auf den hintersten Rängen zu landen.
Kommentiert von: Michael | 21. Februar 11 um 16:41 Uhr
Lieber Herr Gieselmann, Lieber Popticker
- ja, da muss ich mich wohl noch mal öffentlich entschuldigen, aber ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss, und am Freitag hatte ich also die Entscheidung zu treffen: Bin ich heute Abend Nürnberg- oder Lena- , Fussball- oder Popfan, und da habe ich mich eben schweren Herzens aber doch sehr eindeutig für den Club entschieden, sorry, ich weiss, dass ich da auch eine Tradition breche.
Dass es "taken by a stranger" werden würde, überrascht mich indes nicht, zu deutlich hob es sich von allen anderen Liedern ab, da konnte allenfalls "A million in One" noch mithalten, wenn es denn nicht so irre schwierig zu singen wäre, da ist Lena fast schon dran gescheitert ... - aber sei's drum, diesen Internetquatsch mache ich nicht mit, also ich mache ja vielen Internetquatsch mit, aber schaue eben nicht nachträglich eine Show an, deren ohnehin schmalen kompetetiven Reiz nach bekanntem Ausgang wohl kaum mehr Spannung geboten hätte. Ich kann nur so viel sagen: Jetzt darf man dieses Lied nicht über strapazieren und abwarten und hinter Lena stehen! Im Übrigen, lieber Gieselmann, war das Lied zumindest noch im Halbfinale durchaus länger als drei Minuten und schien nicht nur so - da kommt es jetzt auch noch mal drauf an: Kürzen! Und dabei bestenfalls: Würzen!
Es grüsst aus Nürnberg ... Dietmar Poppeling
PS - oder sind Sie, Herr Gieselmann, auch eingeschnappt, weil Sie Hesse sind? Sie sind doch nicht Eintrachtfan? Oder?
Kommentiert von: Dietmar Poppeling | 21. Februar 11 um 13:52 Uhr
Wären wir schneller gewesen, wäre Guttenberg jetzt Oberbürgermeister von Hamburg. Aber noch ist der Kampf an der Saar nicht entschieden, darum:
Uneingeschränkte Solidarität mit Dr. zu Guttenberg!
Kommentiert von: Feliks Dzerzhinsky | 21. Februar 11 um 12:27 Uhr