Ein wesentliches Element der Musik von Christine And The Queens ist der Tanz. Zum einen sind da die straighten, stringenten Synthie-Beats, die direkten Zugang zu den Gelenken zu haben scheinen, da sind zum Anderen die merkwürdig zappeligen Choreografien der Videos und Live-Auftritte von Héloïse Letissier und ihren TänzerInnen, die manches mal wirken, als würden Regale umgeräumt, als griffen da bizarre Wesen im Nebel Dinge in imaginären Fächern. Es überrascht nicht, dass Madame Letissier vom Tanz kommt, den sie als hauptberufliche Tätigkeit nach einem Unfall an den Nagel hängen musste, wonach her sie erst von einigen befreundeten Drag-Queens zum Singen überredet werden musste - so jedenfalls der Mythos ihrer Musikerinwerdung und der Queens in ihrem Künstlerinnamen. In jedem Falle hat ihr Popentwurf etwas Androgynes, Queeres, ohne aufdringlich aufgeladen oder aufpeputscht daher zu kommen. Im Gegenteil: Zu dem, was sie ist, wie sie klingt, wird diese Musik durch ihre zwei widerstreitenden Kräfte - dem chansonhaft-französischen Kitsch auf der einen, der klaren, scharfen Reduktion in den Klängen auf der anderen Seite. Daraus resultiert ein merkwürdig seichter Bombast.
Wobei wir nun noch nichts von der Instrumentierung dieser ganz und gar perfekten Popmusik gehört haben: Das hier ist Synthiepop mit der richtigen Dosis 80er, die immer ganz nach heute klingt, ein Klanggerüst irgendwo zwischen A-ha und Mylene Farmer, immer französisch seicht gehaucht - aber nie mit dem bitteren Lolita-Gehabe, der französische Popmusik ein ums andere mal über den Rand der Peinlichkeit tropfen lässt.
Vor allem aber, ich hab‘ das angedeutet, ist hier nichts zu viel, nichts zu wenig produziert - alles in auf den Punkt und gehört, wo es sitzt, hin: Man höre sich nur einmal den Song „Christine“ an: 20 Sekunden anschiebender Synthiebass mit rhythmischem Atmen, dann vereinzelte Keyboardsprenkel, bevor nach erst 40 Sekunden die erste Strophe einsetzt - trocken, mit subtilem Hall, nach einer Minuten der Refrain auf dem Schiebebass, dann verschiebt sich der Beat ein wenig mit schärferer Betonung der Kickdrum, dann, nach 2:20 der charmanteste, sexyste Zwischen-Rap der französischen Popgeschichte, zurückgehaltenes Rhythmusflüstern, Refrain - fertig ist der Laube. Seit LaRoux‘ „Bulletproof“ habe ich keinen perfekteren Synthiepopsong gehört, und das Album „Charleur Humaine“ - ganz klarer Anwärter auf Popticker-Album des Jahres - ist voll von diesen Perlen.
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