Pas popla bonita: Britney Spears hat versagt
In Zeiten der Binnenironie deckt die Kunst bestenfalls die beiden Optionen ab, sie im direkten oder im distanzierten Modus zu geniessen - wahlweise gibt es Leute, die zum einen und solche, die zum anderen neigen, im Idealfall auch besteht eine gewisser Gourmet-Faktor in der Kunst, beim Kunstgenuss zwischen beiden Genuss-Aggregaten zu switchen (siehe dazu auch die heutige SZ-Kritik des neuen Christian-Kracht-Romans), womit man bei Pop wäre.
Für Britney Spears gab es ein kurzes Zeitfenster, in dem sie in der Lage war, absoluten Teeniepop in Reinstform zu erstellen, der aber gleichsam für den Indie-Pophörenden SPEX-Leser seine Reize entwickelte. Dieses Zeitfenster verdichtete sich im gewissen Sinne in dem Hit „toxic“, der im dünn besiedelten Himmel der Popperfektion noch heute enigmatisch, erratisch und bombastisch strahlt. Der Wahnsinn. Leider aber schloss sich das giftig verdichtete Fenster, und der neue Tiefpunkt des einseitigen und ganz und gar nicht mehr oszillierenden Popentwurfs, dem Britney, seit sie nicht mehr lüftet, hinterher hechelt, ist mit ihrem neuen Album erreicht, auf dem sie eben, ja, immer noch Teeniepop in Reinstform machen will - ohne doppelten Boden ohne Option auf ironischen Bruch. Das Problem liegt natürlich auf der Hand: Weder Britney noch ihre potentieller oder tatsächlicher Fankreis ist mehr ein Teen. Der Zug ist abgefahren, und da liegt es nun also das neue Album wie die Sieben auf Bahnsteig Acht mit dem direkten Ziel: Nice-Price-Krabbeltisch-Pop in der Drogerie im Hauptbahnhof.
Mann! Was wäre alles drin auf einem Britney Spears-Album. Aber „Glory“ schlubbert sich träge im geboosteten Powerpop zwischen allen Schnubbelbubbel- und Soul-Stühlen. Einzig und allein der Song „Slumber Party“ hat einen gewissen Hang zum Mitwippen und augenzwinkerndem Mitdenken des Satzes: It‘s Britney, bitch! Mittelmeer getränkter Reggea-Beat mit schwülstigem Erotik-Kitsch in Stile von „La Isla Bonita“, das ist wirklich hübsch anzuhören. Aber sonst: Nix bleibt da hängen, auch wenn die Produzenten sehr viele tolle Sound-Plugins haben, was ja aber nicht reicht. Irgendwie braucht es halt doch: Lieder. Ohne die geht Pop dann eben doch nicht. Und auch Britney nicht. Sei‘s drum, denn auch wenn sie kein Teenie mehr ist: Ein bisschen Zeit hat sie ja noch, um gute Popmusik zu machen - der Popticker hofft auf die nächste Platte oder die in zehn Jahren.
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