Zweimal Hinhören lohnt: Das Debut-Album von Antje Schomaker
Als Jan Böhmermann letztes Jahr seine Menschen-Leben-Tanzen-Welt-Breitseite gegen gefühligen Deutschpop abschoss, führte er unter anderem ins Feld, dass unter Hits von Sängern wie Max Giesinger oder Tim Bendzko teils mehr als ein halbes Dutzend Song-AutorInnen stehen, und dass dieses Phänomen natürlich im Gegensatz zum Marketing-Konzept des individual-erlebtem Songinhaltes steht - wenn ein Trupp von Leuten, die meisten natürlich rein statistisch Männer, formulieren, was Max Giesinger behauptet, selber erlebt oder zumindest beobachtet zu haben, dürfen Zweifel an seiner Authentizität angemeldet werden. Das nun wiederum sind Zweifel, die man bei Songs amerikanischen Powerpops von, sagen wir, Taylor Swift niemals anmelden würde, und das nicht nur, weil unter Songs von Taylor Swift noch mehr AutorInnen genannt werden, sondern auch, weil keiner auf die Idee käme, die derzeit erfolgreichste Popsängerin der Welt sänge von irgendwas selber Erlebtem oder zumindest selbst Beobachtetem - diese Form der Authentizität wird im globalen Pop aus Amerika nicht gefragt, erwartet oder auch nur als Vermaktungskonzept in Erwägung gezogen; und das obgleich Lieder von Taylor Swift derzeit im Wesentlichen von Taylor Swift handeln - aber eben, und hier beisst sich der Pop in seinen Schwanz, von Taylor Swift als Pop-Erscheinungsfigur.
Womit wir bei Antje Schomaker wären - oder vielmehr: Womit wir gerade nicht bei Antje Schomaker wären, denn hier wird eine Authentizität sichtbar, die, wenn man Deutsch singt, offenbar erwartet wird, die aber eben ebenso oft reine Chimäre ist. Antje Schomaker aber, die singt eben tatsächlich von sich - und zwar nicht als öffentliche Figur, die sie gewiss auch nicht ist, sondern sie singt von planlosen Nächten, in denen sie neben Leuten aufwacht, die sie vielleicht irgendwann mal wieder sieht - vielleicht auch nicht; und das geschah am Samstag „- und heute dann Sonntag / Tatort bei Freunden / Vorher indisch kochen / Und den Samstag bereuen / Dem Juli mangelt es an Vitamin D / Die Sonne kommt mal wieder / Etwas zu spät“ - was das Ganze vom Gefühlsdusel von vielen anderem Deutschpop abhebt, sind die kleinen Umwege in den Umschreibungen, die sich in den Songtexten finden, Umwege im inhaltlichen als auch metrischem Sinne, Sprachbilder, die nicht aus dem Setzkasten-Kanon lyrischer Allegorien stammen, sondern aus tatsächlich Erlebtem oder zumindest Beobachtetem - ganz gleich übrigens, wieviel da noch mit dran geschrieben haben mögen. Zweites Beispiel: „Dein Pullover so groß, dass du darin versinkst / Und weil du nie an was vorbeigehen kannst / Bist du voll bis oben hin / Du sagst es wird noch schlimmer / Das sei Murphys Gesetz / Aber nur weil der das sagt / Heißt das nicht, er hat Recht“ - das macht wirklich Spass zu hören, es ist ein sehr gelungenes Debut-Album, welches „Von Helden und Halunken“ heisst.
So sehr auch die Platte von ihrer Sängerin und Songwriterin geprägt ist, so betont Antje Schomaker, dass es die Platte einer Band ist, und die Musik, die diese Band musiziert, ist erdiger, naturbelassener, fast unproduzierter Folkpop mit viel gezupften Instrumenten, seicht treibenden Schlagzeug-Beats, und der auch mal den ein oder anderen flächigen Klang mit Orgeln und Keyboards findet - das ist schön gemacht, vielleicht das ein ums andere Mal doch ein wenig zu nah an dem „Uhohh“-Deutschpop, von dem sich der Schomakersche Popentwurf textlich eben so eklatant elegant abhebt, und auch einen Preis für die einfallsreichste Melodie 2018 wird diese Platte nicht gewinnen, aber wie gesagt: Ein wirklich prima Album, I like.
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