- einst haben KLF den Weg zum Eurodancehit beschrieben. Im Jahre 2018 ist der Popsoul das Pop-Subgenre der Stunde. Der Popticker hat um die 25 Hits der letzten Jahre ausgewertet und aus den Mittelwerten einen Hitbaukasten definiert - am Ehesten lässt sich mit diesen meinen Tips eine Uptempo-Nummer zimmern
01 Nimm Dir als erstes eine schöne Akkordfolge, auf der Dein gesamter Song beruhen kann, dieses Riff sollte aus 4 Akkorden bestehen. (Du kannst Dich auch für ein 3-Akkord-Schema entscheiden, aber lass dich dadurch nicht zu einem 3/4-takt verleiten, es sei denn Du bist Musiker*in.) Klassische Kadenzen, aus denen quasi die ganze Popgeschichte besteht, drängen sich natürlich auf.
Diese Akkordfolgen würden gut funktionieren:
bm em G A
bm A D G
em C B7 D
bm D bm F#7
Natürlich kannst Du diese Vorscgläge transponieren, aber rein statistisch hast Du grössere Hitchancen, wenn mindestens b-Moll oder e-Moll in Deinem Song vorkommt, bestenfalls also sogar beide.
Du musst nun entscheiden, wie handgemacht oder elektronisch diese Akkordfolge klingen soll: Du kannst sie auf einem Synthie spielen oder auf einer Akkustik-Gitarre. Abzuraten ist von E-Gitarre und Instrumenten, die niemand kennt - zum Beispiel Spinett. (Es sei denn du bis Spinettist*in und möchtest Popluft schnuppern).
02 Das Tempo deiner Akkordfolge solltest Du nun mit der Stoppuhr bestimmen: Ein Durchgang Deines Riffs sollte entweder 5 oder 7,5 Sekunden dauern - du musst auf jeden Fall 15-sekündige Module aus diesem Riff bauen (für eine Strophe also 3 mal 5 oder 2 mal 7,5 Sekunden; zur Not gehen auch 4 mal 4 Sekunden, aber dann reicht das schon ins exzentrische Experiment). So baust Du Deinen Hit spe auf:
Intro 7,5 Sekunden
Strophe 01 15 Sekunden
Refrain 15 Sekunden
Strophe 02 15 Sekunden
Refrain 15 Sekunden
B-Teil/ Bridge 15 Sekunden
Refrain 15 Sekunden
Outro 7,5 Sekunden
- Intro und Outro ist dabei optional. Du solltest also im Gesamtem auf genau 03 Minuten oder auf 03 Minuten und 15 Sekunden kommen.
03 Auf Dein Gitarrenriff setze nun eine möglichst banale Melodie, am Besten mit zwei Tönen auf dem ersten Akkord, je 3 auf dem zweiten und dritten Akkord, und 4 auf dem Vierten - mit dieser leichten Verschiebung hast Du bereits eine gewisse Polyrhytmik ins Spiel gebracht. Spiel diese Töne mit einem elektronischen Instrument, wenn die Akkorde akkustisch klingen - und umgekehrt.
04 Nun kommt das wichtigste Element - viele Songschreiber fangen mit diesem Schritt an und bauen den anderen Kram drumrum: Du brauchst einen Refrain. Beziehungsweise: Refrain ist so was von 80er, was Du jetzt brauchst, ist eine Hook - einen Codesatz, den Kern Deines Liedes - Du schreibst Dein Lied in der Pop-Ära der Refraindiktatur, hier musst Du wirklich eine Idee haben. Nimm einen Satz, der rhythmisch klingt und am besten (!) 8 Silben hat - (z.B. „I‘m in love with the shape of you“ - 8 Silben !!!), ein kleine Geschichte erzählt (z.B. „I kissed a girl“) oder einfach nur ein cooles Wort beinhaltet (z.B. Umbrella, Elephant, Sugarcube - Dein Lieblingswort sollte also drei Silben haben) - bestenfalls bringst Du alles drei unter und Du hast zudem noch eine Du-Ich-Struktur in Deiner Grammatik drin. Um die hiesigen Beispiele zu kombinieren also „I sometimes kissed your elephant“ (8 Silben !), "I cant't get no satisfaction" (8 Silben !) oder oder „I‘m in love with your umbrella“ (8 Silben !).
Wenn Du also einen catchy Satz hast, nimm einfach nur diesen oder setze noch einen davor, der nicht mehr zu sein hat als eine rhythmische und grammatische Einleitung für Deine Catch-Phrase - der erste Satz kann zum Beispiel eine Frage sein, zu der dann Deine Hook die Antwort ist (Mit unserem Beispiel wäre das dann: "Did I ever kiss you? I sometimes kissed your elephant."). Ein zweiter Satz im Refrain kann auch nach der Catchphrase folgen, wenn das Ganze eine Emotion addiert - wie Katy Perry das oft macht, wenn sie zum Beispiel auf „I kissed a girl - and I liked it“ (8 Silben !) folgen lässt. (In unser Beispielhook 02 wäre das dann: "I'm in love with your umbrella. I saves me from the rain of hate." - zweimal 8 Silben !) Wenn Dir nichts entsprechendes einfällt, was Deine Hook ergänzt, verzichte auf diesen Klimbim und nimm die Hook, wie sie ist, und wiederhole sie so oft, dass es Dir schon zu viel vor kommt - Taylor Swift macht das auch so. (Ihre Hooks sind im Übrigen im Vergleich zum sonstigen Popsoul-Durchschnitt deutlich kürzer - „Cause Baby now we got bad blood“ mit 8 (!) Silben ist im Prinzip schon ihre Längste.)
05 Nun schreibe einen Text für Deine beiden Strophen. Die Melodie ist dabei nicht so entscheidend, sie kann sich aus dem Sprachduktus ergeben (und muss natürlich auf Deine Akkordfolge passen). Entscheidend ist nur, dass der Text schneller ist als der Grund-Beat: Wenn Dein Riff 7,5 Sekunden dauert, brauchst Du für Deinen 15-Sekunden-Baustein nur zwei Zeilen - die erste Zeile sollte idealerweise 19 Silben haben, die zweite 18 - wenn Du davon abweichst entscheide Dich auf jeden Fall für eine ungerade Silbenanzahl in der ersten und eine niedrigere, gerade Anzahl in der zweiten Zeile.
Wenn Du 4 vier-sekündige Akkordfolgen hast, brauchst Du vier Zeilen Text pro Strophe - wechsele auch hier ungerade und gerade Silbenanzahl ab und halte die Zeilen 2 und 4 kürzer als die Zeilen 1 und 3 - aber wie gesagt: Wenn Du für Katy Perry oder Taylor Swift schreibst, schmeiss Deine Experimentier-Freude lieber über Bord.
Wenn Du Dich in Schritt 02 für eine 5-sekündiges Riff entschieden hast, brauchst Du 3 Zeilen je Strophe, dann sollten die ersten beiden aus ungerader Anzahl von Silben bestehen und die Dritte dann mit einer Silbe weniger und also gerader Anzahl - idealerweise auch hier zweimal 19 und einmal 18 Silben.
Inhaltlich könnte Dein Strophentext durchaus mit Deiner Hook im Zusammenhang stehen, wichtig ist das aber nicht. Wenn Du eine gute Hook hast, kann sie die Konklusion von allem möglichen sein: Du bist zum Beispiel Boot gefahren, hast Dein Portemonnaie verloren, aber wen kümmert das, wenn Du manchmal Ihren Elefant küsst? Dein Vater ist abgehauen, als du 7 warst, und deine Mutter musste immer arbeiten, aber das alles ist nebesächlich, weil Dein Regenschirm vor dem Hassregen schützt. Wenn dir nichts einfällt, schreib am Besten über Liebe und Selbstbewusstsein - das sind die wesentlichen Themen erfolgreicher Popsoulsongs.
06 Solltest Du Dich in Schritt 02 für einen B-Teil entschieden haben, brauchst Du nun noch für diesen einen Text (oder Du schreibst einfach als dritte Strophe noch eine leichte Variation von Strophe 1). Im Zweifelsfall aber ist ein B-Teil aber sogar einfacher, weil er das Lied in die Breite ziehen soll, und man also deutlich weniger Silben braucht als für eine Strophe - etwa 09 bis 11, um genau zu sein. Eine Sing-Melodie-Variation auf Deinem Grundriff reicht hier - spiel es ein wenig flächiger, zurückhaltender und vermeintlich langsamer (trotzdem unbedingt bei 15 Sekunden bleiben !!!) Wer mehr Ambitionen hat, kann sich für seinen B-Teil auch eine andere Akkordfolge ausdenken (hier dann aber bitte nur 3 Akkorde !!!), aber macht Euch nicht zu viel Arbeit - „Daft Punk“ haben in ihrer Karriere bislang fast nur Songs gemacht, deren Riff stets gleich bleibt, und sie sind dennoch die Könige des B-Teils.
07 Du brauchst nun für einen Basslauf einen guten Bass-Sound von Deinem Garage-Band-Programm oder einen Bassisten, der ihn Dir einspielt. Der Basslauf sollte auch aus abwechselnd ungerade und gerader Anzahl von Tönen je Riff-Durchgang bestehen. Halte ihn möglichst groovy und einfach, steigere seine Komplexität ein wenig in Strophe 02 (aber nicht beim Refrain !!!).
08 Jetzt wird es noch mal knifflig: Du brauchst noch einen Beat. Dieser muss zwischen den Stühlen der Tanzbarkeit und Deinem Unplugged-Uptempo-Soulpop sitzen. Ausserdem muss er er im Grundsound bestenfalls von dem Deines Bass abweichen: Wenn Du einen erdigen und gar akustischen Bass-Klang hast, nimm eher elektronischere Beats, klingt Dein Bass eher künstlich und nach Synthie, suche nach einem erdig-authentischen Schlagzeug.
Wenn Du das gut kannst, probiere mit einem geeigneten Drum-Programm was Schmissiges aus - besser aber Du fragst einen Schlagzeuger Deines Vertrauens. Die Kickdrum sollte nicht so viel Wumms haben, dass der Grundsound Deines Hits Dir um die Ohren fliegt, die Snare sollte kurz und prägnant sein, ein scharfes „Klack“! könnte reichen, vielleicht ein elektronisches Hand-Clapping oder so. Hör Dich am Besten ein wenig durch die Popsoul-Hits der letzten Jahre.
09 Jetzt kommt der entscheidende Schritt für das Ganze: Du musst Dich für eine Sänger*in entscheiden. Sie oder er sollte eine auch im entspannten Modus volle Stimme haben, rhythmische Qualitäten mitbringen, die fast ins Rappen reichen und an den Key-Points Deines Liedes (Hook und B-Teil ) Volumen und Fläche aussingen können.
Entscheidend bei dem Gesang ist, dass die oder der Singende sich beim Singen nicht festlegt, ob er gerade eine Ballade oder eine schmissige Tanznummer zum Besten gibt. Bestenfalls verrätst Du das Deiner SängerIn gar nicht. Wenn Du selber singen kannst, um so besser, dann aber musst Du, wenn Du Deinen Song einsingst, alles, was Du bisher gemacht hast, vergessen - und auch alle Tips, die in diesem Text hier stehen, aus Deinem Hirn tilgen.
Die Hook, zumal wenn Du keinen ihr zweiten Satz beiseite stellst, sollte man chorisch aus verschiedenen Takes der Main-Stimme schichten. Das sollte sich jemand ausdenken, der so etwas kann - einen vierstimmigen Chor schreiben. All zu viel Arbeit halst Du diesem Arrangeur ja nicht auf, denn wir sprechen ja wirklich nur von einer Zeile von 8 - 12 Silben.
10 Nimm Deinen Song auf und lass ihn von jemand mastern, so dass es auch auf einer Bluetooth-Box klingt wie auf einer Konzert-PA. Und nun heisst es Klinken putzen, Leute ansprechen und den Hype um Dich selber anfeuern. Viel Erfolg.
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Ergänzung: 10 Songs, die sich nahezu sklavisch an meine Tips gehalten zu haben scheinen: Ed Sheeran „shape of you“ / Katy Perry „I kissed a girl“ / Taylor Swift „Bad Blood“ / Rita Ora „Your Song“ / Pink „what about us“ / Miley Cyrus „Wrecking Ball“ / Julia Michaels „issues“ / Selena Gomez „good for you“ / Justin Bieber „sorry“ / Hailee Steinfeld „love myself“. Die letzten vier sind alle von Julia Michaels geschrieben - obwohl die kaum einer kennt, ist sie die ungekrönte Queen des effektiven Popsouls.
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