Song-Jubiläen und ihre Schockmomente
Lieder, die wir lieben, erinnern uns an die Zeit, zu der wir sie lieben gelernt haben - als hätten sie das Gefühl und die Umstände, zu denen wir sie das erste mal gehört hatten in sich eingeschlossen. Auch ganze Alben können uns in der Zeit zurück transportieren, wir kennen die Kratzer und Sprünge unserer alten Vinyl-Version, und manchmal braucht es für diese Zeitreisen nicht einmal eine hohe emotionale Bindung an Song oder Album - Radiohits zum Beispiel, die wir, ganz gleich, ob wir sie gut finden, zu einer bestimmten Zeit oft gehört haben, transportieren die Erinnerungen an diese Radiozeit.
Gleichzeitig zu dieser Stetigkeit transformieren sich Lieder, und wie wir sie hören, in der Popgeschichte, und sie altern, werden von denen, die sie heraus gebracht haben, anders gespielt, sie werden gecovert oder gesampelt, sie laden sich mit neuer Erinnerung auf, weil zum Beispiel unsere Kinder sie plötzlich hören, und man hört ihnen also ihr Alter an.
Zwei Zeitbegriffe schlagen ach in Pop-Songs Brust - einerseits die lineare Zeit, die, wenn auch subjektiv, voran schreitet, andererseits die stehende Zeit, die ein Gefühl pur und wie wir es vor 10, 20, 30 Jahren hatten, unveränderlich konservieren kann, und die scheinbar endlos dieses Gefühl wieder und wieder vermitteln kann. Aus diesem Grund der zwei Zeitbegriffe, die in der Popmusik wohnen, schockieren uns Jubiläen von Liedern und Alben: Plötzlich wird uns bewusst, dass zwischen der gealterten Rezeption und der frisch gehaltenen Erinnerung eine Differenz von 20 Jahren klafft, und diese Differenz, fällt auf uns zurück - wir sehen unser Alter im Spiegel eines Songs oder einer ganzen Langspielplatte: Was? Vor 20 Jahren lief „smells like teen spirit“ auf MTV?
Nun haben wir wieder so ein Jubiläum, das schockieren könnte: 20 Jahre „(Hit me) … Baby one more time“ - und wir so: Whaaaaat? Mir ging es jedenfalls so. Der Hit von Britney Spears steht aber auch ikonografisch für Britney einerseits und für eine MTV-Dominanz im Pop im Allgemeinen andererseits, weil sich Britney und ihr Schuluniform-Look bis hin zur anfänglichen Pausenglocke in dem Video in unser Hirn gebrannt haben, ganz gleich, ob wir den Song mögen oder nicht. Er transportiert gleichzeitig seine Zeitlosigkeit und seine bewegte Geschichte bis hin zum einstigen öffentlich-psychischen Kollaps von Britney. Wir sehen uns im Spiegel dieses Hits, ohne den es im Übrigen diesen Blog auch nicht geben würde: Happy Birthday also!
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