Einige Gedanken zum Einsatz von Sequencern bei Pop-Konzerten anlässlich der kürzlich besuchten Auftritte von Laing und Jain
Jemand hat Jain für ihre Konzerte eine Fernbedienung für ihren Rechner gebaut, mit dem sie ihr Audio-Logic oder welches Programm auch immer sie benutzt, steuern kann. Zwar kehrt sie auf der Bühne immer wieder wie eine MC zum zentralen Pult zurück, aber um Breaks innerhalb ihrer Songs aufzurufen, Übergänge abzuspielen und B-Teile einzuleiten, muss sie eben nicht an den Computer. Mit diesem System ist sie mobil und kann unterwegs mit Fernbedienung und Mikro hüpfen, tanzen, sich euphorisch schütteln und natürlich singen.
Laing hingegen rufen die vorgefertigten Sequenzen, Beats und Loops nicht per Fernbedienung ab, hier erledigt dies der Schlagzeuger - das macht auch Sinn, da er adäquat zu seinem Hauptberuf ohnehin für Rhythmik und Timing zuständig ist und dementsprechend dafür auch Talent hat. Und so haben Nicola Rost und ihre beiden Mitstreiterinnen Platz, Agilität und Freiheit für ein Popkonzert, das aber eben ebenso wie bei Jain einen leicht faden Nebengeschmack hat: Ein Großteil der Musik kommt aus dem Rechner, Sequenzen werden hier abgespielt, letztlich wohnen wir einem Playback-Konzert bei.
Der Grund für die Abwesenheit von Instrumenten ist natürlich ein rein ökonomischer. In Zeiten, in denen die Einnahmenerwartung von Musiker*innen bei Konzerten die vom Plattenverkauf übersteigt, ist der Live-Auftritt eben keine Werbe-Massnahme mehr, sondern zentrale Einnahmequelle im Gefüge des Popmarktes, und je weniger Musiker*innen auf der Bühne ihrem Beruf nachgehen, desto weniger müssen bezahlt werden. Proben muss man auch weniger, wenn man nicht die Instrumental-Spuren der Alben möglichst adäquat live nachbauen muss. Da liegt es nahe, die Sequenzen abzuspielen, die man in mühseliger Kleinarbeit am Computer und im Studio zusammen gefrickelt hat, und Laing und Jain sind hier nur zwei Beispiele von Konzerten, denen ich in den letzten paar Wochen beigewohnt habe, bei denen Playbacks zum Einsatz kamen. (Zwei weitere: die Prog-Folk-Band „the day“ verzichtet auf einen Keyboarder, obgleich in ihrem Popentwurf Synthie-Flächen eine zentrale Rolle spielen, Kylie Minogue spielt mit ihrer Band eine Bastardpop-Version von Kylies Hit „slow“ auf den originären Synthie-Sequenzen von „being boiled“ von Human League).
In der Theorie führt das natürlich zu einem weniger originären Effekt des „Im-Moment-Seins“, aber letztlich ist es vermutlich ohnehin Kitsch, wenn man sich als Konzertbesucher noch einredet, einem Ereignis beizuwohnen, das ein Maximum an Freiheit und Spontanität die Bühne bietet, auch wenn kein Sequencer zum Einsatz kommt. Umgekehrt kann man von Laing berichten, dass ein Genie und Vollprofi wie Nicola Rost den Live-Auftritt so elegant geniesst, dass ihr wundervoll feingeistiger Chansonpop auch ohne Instrumente lebendig und ausreichend live daher kommt - das Konzert im Hamburger Mojo vom letzten Sonntag war grandios, und abgesehen davon sind hier trotz Sequencer ausser Rost noch zwei Sängerinnen, besagter Schlagzeuger und eine Tänzerin auf der Bühne.
Ein wenig mehr Musizieren hätte man sich im Gegensatz dazu bei Jain durchaus gewünscht (sie habe ich im Dezember in Köln gesehen): Dieses Pop-Jahrhundert-Talent ist zwar durchaus dazu in der Lage, über ihre Fernbedienung nicht nur ihren Rechner sondern auch 600 Zuschauer gleichzeitig zum Break in ihrem Hit „Makeba“ zum Hochhopsen zu animieren, auch schichtet und befüllt sie ihre World-Beats teils live mit Stimmen- und Sound-Loops, aber wenn alles dies jetzt auch noch mit Rhythmus-Sektion und Bläser-Ensemble gespielt würde, dann wäre das wirklich das ultimative Pop-Konzert.
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