Hoher Männerüberschuss im Halbfinale von „The Voice Of Germany: Der popticker untermauert seine These, dass in der Casting-Show mit zweierlei Mass gemessen wird
Am Sonntag 13.12.20 findet das Halbfinale der zehnten Staffel von „The Voice Of Germany“ statt. Unter den zehn Finalist*innen sind gerade mal zwei Frauen - da hilft es auch nicht viel, dass eine von ihnen, Paula Dalla Corte, am Sonntag drauf das Finale gewinnen wird: Dieses Ungleichgewicht ist blöd. Nachdem der Popticker bereits statistisch nachgewiesen hat, dass in den Blind-Auditions bei den Frauen weniger gebuzzert wird, muss man sich fragen, ob in dieser Show gleiche Massstäbe für alle gelten. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass technische Brillanz bei Männern mit offenen Mündern honoriert wird, während sie bei Sängerinnen quasi als Grundvorraussetzung angesehen wird, um überhaupt da sein zu dürfen. Der Raum für künstlerische Entfaltung ist daher bei den männlichen Teilnehmern größer, es genügt, wenn sie beiläufig auch die ein oder andere handwerkliche Begabung mitbringen, oder umgekehrt, wenn sie nur diese haben, aber keinerlei Idee erkennen lassen, für welche künstlerische Idee sie stehen könnten. Der Türspalt zum Halbfinale war für Frauen zumindest in diesem Jahr viel schmaler - wenn sie technisch nicht brillant waren, wurde ihnen gesagt, das reiche nicht, selbst dann wenn ein noch so eigensinniger Popentwurf zu erkennen war, wurde er eben nicht erkannt. Das führt in der Summe zu einer Vielzahl an Männern im Halbfinale, die technisch brillant, aber künstlerisch langweilig singen.
Es rächt sich einfach, dass in den unsäglichen „Sing Ofs“ das sympathische Voice-Prinzip, nach dem nicht Teilnehmer*innen um Stars, sondern Stars um Kandidat*innen buhlen, umgeworfen wird, und hier die Teams von 11 Sänger*innen auf nur 2 verkleinert werden müssen. Bei diesem Fliessbandvorsingen setzen sich nicht die durch, die eine Popidentität jenseits des gehobenen Karaoke-Gesangs erahnen oder sogar hören und sehen lassen, sondern eher Wettstreiter mit sportiver Herangehensweise - und das sind zumindest in dieser Staffel in der Mehrzahl Männer.
Wie gesagt: Das Ganze wird nach meiner Einschätzung durch die Tatsache konterkariert, dass wohl und hoffentlich eine Frau diese Staffel gewinnen wird: Paula Dalla Corte hat eine naive Brillanz, ein schluffig-glamouröses Star-Appeal, mit dem sie in den erwähnt blöden Sing-Ofs Lewis Capaldis „Bruises“ mit derartiger Hingabe sang, dass man sich zeitweise schon Sorgen machte, ihr könne im Wasser wirklich kalt werden: „There must be something in the water / cause everyday it's getting colder.“ - klar wurde jedenfalls: Hier singt jemand, der Popsängerin werden könnte. (Selbst David Guetta, der sich, da er von Singen nichts versteht und auch einfach kein Musiker ist, als Gast-Coach im Team Samu Haber und Rea Garvey als kompletter Fehlgriff erwies, konnte Paula nicht vom Weg abbringen.) Man kann nur hoffen, dass dieser Sängerin die Zeit bleibt und gegeben wird, das unfassbare Talent zu entwickeln, das in ihr schlummert - von ihr würden sich in meiner Familie jedenfalls, Menschen also von 8 bis 48, eine Platte kaufen - unabhängig von dem Ausgang dieses TV-Wettbewerbs.
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