Synthpop und Wald
01. Februar 21
Dagobert hat dem Popjahr 2021 ein erstes Meisterwerk geschenkt
Der Sänger und Songschreiber Lukas Jäger hat für sich die Kunstfigur Dagbobert ersonnen - Dagobert ist ein gut angezogener melancholischer Gentleman, der städtische Hipness mit schweizer Landluft verbindet, eine Idee irgendwo zwischen den schweizer Bergen und Berlin. Dass er in in einer solch skurrilen Erscheinungsfigur die Schwere und die Nähe zu Kitsch sucht, hat in einer gewissen Schubladen-Hilflosigkeit dazu geführt, dass man Dagobert dem Schlager zugerechnet hat, aber seine stark verknappten Poplyrics und sein intelligent-subtiler Humor haben ihn eher in der indie-affinen Pophörerschaft Fans eingebracht.
Mit dem vierten Album „Jäger“, am Freitag dem 29.01. erschienen, findet die Figur zu sich und zum Synthiepop: „Jäger“ ist ein Liedzyklus über Sterben, Tod, Vergänglichkeit und Liebe, eine erratisches Kunstwerk voll Poesie, schillerndem Vermissen und verknappten Zeilen: „Mama geht’s gut. Papa geht’s auch gut. Obwohl … nicht mehr ganz so gut. Aber immer noch gut. / Lucy geht’s gut. Christoph geht’s auch gut. Es ging ihm nicht immer gut. Es war auch mal gar nicht gut.“ - es zieht sich durch das Album, dass man zwischen den Zeilen Sehnsüchte nach Freundschaft, Familie und Beständigkeit hört. In „ich will noch einmal“ singt er dann: „Wie viel Zeit, bis wir sterben? Und wie viel Sinn machen die Dinge, die wir bis dahin tun? Nicht sehr viel. Wenn wir ehrlich sind. Doch darum geht’s nicht, darum ging es uns noch niemals. Es gibt noch so viel zu tun. Alles noch einmal, die Lust ist viel zu groß um auszuruhen.“
Es ist erstaunlich, wir hier mit wenigen Zeilen ein philosophisches Geworfensein mit den Mitteln der Popmusik skizziert wird. Damit das funktioniert braucht er im Album-Fluss, in der Dramaturgie einer Platte auch Lieder, die ironischer daher kommen, die nicht die Schwere einfordern, wie zum Beispiel die die zweite Single „Nie wieder arbeiten“, in der Dagobert genau dies konstatiert, und dass er lieber „schön durch den Tag gleiten“ möchte. So etwas. Und dann aber steht er auf einmal „Im Wald, wo die Bäume stehen. Und - wo die Tiere leben. Und - wo die Nächte finster sind … erscheint ein Geist, jeder weiß, wie er heißt, doch niemand spricht seinen Namen laut. Wenn er kommt, wird ein Opfertisch aufgebaut und ein Leben ausgehaucht.“ -„Jäger“ lässt trotz Schönheit stets offen, wo wir gerade sind, und was wir als nächstes zu erwarten haben, sie lässt einen erstaunt zurück. Ich bin seit drei Tagen teils zu Tränen hingerissen, wie toll dieses Album ist.
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