Ein paar Gedanken zum Mittelalter-Rock anlässlich einer neuen Platte von „dArtagnan“
Wo wir es ja gerade einen Post weiter oben von Subsubgenres auf Spotify hatten, die mehr auf algorithmischen Prinzipien fussen, bekommen wir es heute bei mit einem durchaus musikalischen Subsubgenre zu tun (oder Subsubsub?). Hinter dem zudem, laut Eigenaussage der betreffenden Band, eine philosophisch-ideologische Grundhaltung steckt - die Rede ist hier vom Musketier-Rock. Erfunden hat diesen die Band „dArtagnan“, und die erwähnt philosophisch-ideologische Grundhaltung ist, ihr ahnt es, der Schlachtruf der Musketiere: Alle für einen, einer für Alle. Was immer das nun musikalisch bedeuten mag. Grundsätzlich ist der Musketier-Rock natürlich eine Spielart des Mittelalter-Rock, um nicht zu sagen: Gleicher Met in alten Schläuchen - die meisten Mitglieder der Band spielen denn auch in anderen Mittelalter-Kombos, zum Beispiel bei „Feuerschwanz“, mit denen ich mich hier im Blog auch schon beschäftigt habe - < hier >. Im Klangbild von „dArtagnan“ hört man zwar nicht so viele mittelalterliche Instrumente wie bei anderen Vertreter:innen dieses überaus erfolgreichen Subsubsubgenres, aber die mummenschanzische Verankerung in der Ritterzeit funktioniert im Sound des reinen Rock klassisch über die Scharniere mittelalterlicher Melodien und einen entsprechenden Wortschatz, aus dem sich die typischen Songtexte eines Mittelalter-Songs bauen lassen: Wetter, Feuer, Gelage, Zusammenhalt, Blut und Durchhalteparolen. Daraus ergeben sich dann hübsch doppeldeutige Singalongs: „Heho, denn wir sind Glücksritter!“ oder „Wer nicht kämpft hat schon verloren, wer nicht fällt, steht nicht mehr auf.“
Erstaunlich an dieser Musik ist, dass sie ihr eigenes Regelbuch mitliefert - die Formel aus den genannten Zutaten eine Musik zu brauen, ist weitest gehend immer dieselbe, und diese Musik ist in diesem Sinne wie meistens im Pop im Grunde bewahrend, konservativ. Verblüffend ist, mit welchem Feuereifer diese Formel in Musik umgesetzt wird, und wie musikalisch versiert man in diesem Subsubsubgenre also zu Werke geht - auch bei „dArtagnan“. Im Mittelalter-Rock ergibt sich daraus im Allgemeinen ein augenzwinkernder Bierernst, der sich, wie schon öfter über andere Mittelalterbands in diesem Blog beschrieben, trefflich ironisch deklinieren lässt. Im Fall von „dArtagnan“ und ihrer neuen Platte „Feuer & Flamme“ ist verblüffend, mit welchem Ernst sie ihren Musketier-Rock zelebrieren. (Ich habe schon überlegt, auch eine Musketier-Rock-Band zu gründen. Arbeitstitel: porThos. Das wäre der zweite Vertreter in diesem Segment, auf dem also noch Platz ist.) Jedenfalls verschwimmt durch die ironische Distanz zum überzeugtem Ernst der Eskapismus, der dieser Musik natürlich trotzdem innewohnt. Man wird gleichzeitig woanders hin mitgenommen und zurück geschickt. Oder anders gesagt: Die Refrains mit Mitgröhl-Charakter holen die entrückten Hörer:innen dann auf den Boden der heutigen Tatsachen zurück. Mithin ist diese Musik also keinesfalls so unterkomplex, wie man im ersten Moment denken mag.
Trotzdem ist es schwierig, ein Anliegen der Band zu erspüren, das über die ja letzten Endes abstruse Idee, Musketiere Rock spielen zu lassen, hinaus geht. Vermutlich ist aber genau das Zurückholen in die Jetztzeit mit erwähnten Singalongs, die mithin oft Durchhalteparolen sind, Grund genug, sich für diese dadurch weniger abstruse Musik zu ereifern - musizierender wie hörender Weise. Und das ist ja auch durchaus ein erstaunlicher Popeffekt, vielleicht sogar ein konstatierender im Allgemeinen, wenn das Ferne, in die Popmusik entführen kann, nicht das Mittelalter sein muss. Vielleicht also ist Musketier-Rock letzten Endes genauso wenig abwegig wie Gangster-Rap.
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