Fake News in den Charts: Der iTunes-Store von Apple wurde offenbar Opfer eines Hacks
Am Donnerstag den 19.08.21 wurde der Musik-Download-Shop der Firma Apple, besser bekannt unter dem Namen iTunes-Store, Opfer eines Hacker-Angriffs: Über den Tag verteilt tauchten in den Album-Charts unsinnige Veröffentlichungen auf und verstopften die Top-Ten. Es handelte sich um angebliche Alben von über Suchmaschinen unauffindbaren Interpret:innen mit Namen wie Else Engel, Claudine Blanc oder Christian Darcangelo. Zwei dieser Fake-Alben wurden unter dem Titel „fatal mistakes“ geführt, Andere hiessen „living on mercy“ oder „now only“. Sämtliche dieser Platten enthielten durchaus Musik - oder um genauer zu sein: abspielbare Audiospuren, denn Musik kann man dazu fast nicht sagen. Die Tracks mit Allerweltstiteln bestanden ausnahmslos aus zwei bis drei Spuren: Billiger Beat und Zwei- bis Dreitonfolgen vom Synthesizer. Bei den Covern handelte es sich wohl um Stockfotos: Tatsächliche und computergenerierte Naturaufnahmen oder ein Foto, welches Venedig zeigte. Am Vormittag habe ich drei dieser Alben auf den Plätzen 1,2 und 9 entdeckt, am Abend wurden dann gar die ersten sechs Chart-Plätze mit diesen blödsinnigen Platten belegt. Am nächsten Morgen, heute am 20.08., sind all diese Alben verschwunden, aber es finden sich andere ähnliche Veröffentlichungen nach den gleichen Prinzipien, die aber nicht mehr in den Top 100 sind.
Unklar bleibt, was hinter der Sache steckt, und ich habe schon überlegt, ob ich ein Bekennerschreiben zu der Aktion veröffentlichen soll, weil sie aufzeigt, was ich als These schon lange in den Popraum zu stellen versuche: Die Charts sind zur Makulatur verkommen. An zwei Punkten kann man das anhand des gestrigen Hacking-Angriffs ablesen. Zum einen sollen die Charts ja an für sich abbilden, was angesagt ist, und wenn etwas in den Charts ist und Mark Forster und Billie Eilish auf die Plätze verweist, Musik, die offenkundig nicht angesagt sein kann, die keiner kennt, und die sich auch in Suchmaschinen nicht finden lässt, dann ist die Chart-Idee eben obsolet. Zum Anderen kann man an der Bewegung innerhalb des gestrigen Tages, an dem sich verschiedene Fake-Alben auf Platz eins ablösten und sich im Laufe des Tages fröhlich durch die Top-Ten bewegten, ablesen, dass Charts ohne Zeiteinheit schon überhaupt Schwachsinn sind - welche Zeiträume bildet ein Platz in den Charts ab, wenn es sich dabei um eine Livetabelle handelt?
Chartmanipulationen hat es schon immer gegeben. In den USA gibt es sogar einen Begriff für Bestechungsgelder, welche Plattenfirmen DJs oder Radiostationen zahlen, damit diese bestimmte Songs öfter spielen: Payola. Höheres Airplay, also eben öfter im Radio gespielt zu werden, führt zu höheren Chartpositionen, und da im Radio öfter gespielt wird, was in den Charts ist, wirkte das Bestechungsgeld Payola oftmals exponentiell. (Das Wort Payola setzt sich aus „pay“ und dem Herstellernamen der in der Mitte des 20. Jahrhunderts in den Radiostationen verwendeten Grammophone „Victrola“ zusammen. Erstmals dokumentiert wurde der Begriff laut Wikipedia 1959, aber man muss davon ausgehen, dass die beschriebene Bestechungs-Strategie bis weit in die 80er praktiziert wurde.) Einen anderen Fall von Manipulation der deutschen Charts deckte im Jahre 2005 die Sendung „Akte“ des Senders Sat 1 auf. Der Musikproduzent David Brandes hatte CDs seiner Künstlerinnen (darunter Vanilla Ninja und Gracia) gekauft und kaufen lassen, um diese Künstlerinnen in die Charts bringen und danach von der Rückkopplung des durch die Chartposition generierten Interesses zu profitieren. Beide beschriebenen Manipulationen machen sich natürlich ein konstituierendes Element von Pop an sich zu Nutze - die Behauptung nämlich, angesagt zu sein als potentiell selbst erfüllende Prophezeiung.
Was wir aber gestern in den iTunes-Charts beobachten konnten, hat nichts mit diesem Mechanismus zu tun, denn die Musik, die hier mit welchen technischen Mitteln auch immer, in die Charts gehievt wurde, ist gar keine Popmusik - sie behauptet nicht unmittelbar und durch sich hip zu sein. Die Behauptung, diese Alben hätten sich in den Charts befunden, war als sich selbst erfüllende Prophezeiung ungeeignet, da es keinen Grund gab, diese Alben zu kaufen. Es bleibt also die Frage, warum irgendwer diese Fake-Veröffentlichungen in die Charts bekommen hat, wie das gemacht wurde, und welches Statement dadurch gemacht werden sollte. Von Apple selber gibt es keinerlei Statement dazu, auch meine Anfrage, nun bin ich natürlich auch eine Privatperson, bleibt unbeantwortet, aber irgendwas, so glaube ich jedenfalls, muss dahinter stecken, und ich möchte zu gern wissen, was es ist - wenn das hier also irgendwer liest, der mehr Followerpower hat, der einen Weg sieht, herauszufinden, was es mit den unsinnigen Alben auf sich hat, der sage mir gerne bescheid.
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