Der Popticker bricht das Tabu und bespricht bereits jetzt das neue Album von Helene Fischer
Das in knapp drei Wochen erscheinende Album von Helene Fischer wird „Rausch“ heißen - und als Rausch ist es auch angelegt: 24 Songs bietet das neue Popschlager-Flaggschiff aus dem Hause Fischer, und es sucht also seine Strategie auch in der emotionalen Überwältigung durch schiere Masse. Die Song-Titel sind schon bekannt gegeben, und es ist wohl nicht zynisch, wenn man formuliert: Thematisch hat sich nicht viel getan: „Volle Kraft voraus“, „Null auf 100“, „Engel ohne Flügel“, „Liebe ist ein Tanz“ „Wann wachen wir auf?“ , „Blitz“, „Luftballon“, „Jetzt oder nie“; „Zeit“ - so heißen die Lieder. Die üblichen Topoi also: Mobilität, Unvernunftsappelle, Diskrepanzen zwischen objektiver und subjektiver Zeit, Himmels-Allegorien und radikale Liebe sind die Themen, aus denen sich der Schlager zusammen setzt, und der sich mit den Mitteln des Pop, die keine so beherrscht wie Fischer, vermarkten lässt. Auch für die musikalische Grenzüberschreitung ist gesorgt, wenn Helene in den Latinopop rein schnuppert und mit Luis „Despacito“ Fonsi „Vamos a marte“ trällert. Auch auf Spanisch wird also das Weltall bereist, Luis und Helene wollen gemeinsam zu Mars marschieren - das Wandern ist des Fischers Lust.
Die Konsequenz, mit der hier funktionale Rezepte durch dekliniert und angewandt werden, ist von von stoischer Präzision - das kann man jetzt schon sagen, wo erst zwei der 24 Songs bekannt sind. Stets ist die Rede von Bewegung, Entgrenzung und eben Rausch, nie kommen musikalische Mittel der Bewegung, Entgrenzung oder des Rausches zur Anwendung - der Fischersche Schlagerpop definiert sich so durch eine gigantische Maschinerie des rasenden Stillstands. Das hört man der Musik auf der neuen Platte quasi schon an, ohne sie hören zu können - Musik jenseitig der Musik also, und somit ist dies mithin eine Form des Triumphes der Popkultur über ihr häufigstes Genre, der Musik. „Was für ein brillanter Schachzug!“, könnte man konstatieren, ein Werk ohne Werk gar, das freilich den Status des Werkes aufgibt, wenn es erscheint. Was für ein Interruptus es doch wäre, wenn Fischer nun diesen „Rausch“ - sagen wir: aus künstlerischen Gründen - zurück zöge. Und es blieben der Welt von diesem Doppelalbum nur die beiden Lieder mit der gekoppelten Aussage: Lass uns mit voller Kraft voraus zum Mars gehen. Herrlich.
Aber dazu wird es natürlich nicht kommen - mit Erbarmungsloser Entschlossenheit wird am 15. Oktober „Rausch“ erscheinen und sein wundervoll potentielles Nichterscheinen negieren - das gehört nun mal zum Pop dazu, und wir haben es ja nicht mit Konzeptkunst zu tun, oder vielmehr zumindest mit keiner, bei der das Konzept im Vordergrund steht, weil das Werk hinter ihm zurück steht. Die Fans werden überwältigt sein, die, die, damit nichts anfangen können, werden sich verwundert die Augen reiben und auf den so sicher wie das Amen in der Kirche kommenden Ohrwurm schimpfen, („Warum muss ich das kennen? AAAAH!“) - und Helene Fischer wird in die postpandemischen Arenen Deutschlands fliegen und Celine Dion covern - wenn einem also Gutes widerfährt, das ist schon einen „Asbach Uralt“ wert.
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