Ohren auf Deutschpop werfen - Folge 19 /// Fernab von allen Ouh-Oh-Verdachtsmomenten und all den Menschen-Leben-Tanzen-Allerwelts-Pop hat die Songschreiberin und Sängerin Lina Maly einen zerbrechlich stillen Popentwurf für ihre sehnsüchtigen Texte gefunden ihres neuen Albums gefunden - Piano, leichte Percussion, Tupfer von Gitarren, hin und wieder eine Synthie-Fläche und darauf gerade so gesungen. Das Ganze ist so zurückhaltend gehalten, dass man immer auch Angst bekommt, gleich könnte, was hieran noch Pop ist, wieder entflattern. Und als wäre das musikalisch eben nicht schon ungreifbar wie eine Seife in der Badewanne, handelt die Single „Wolken“ dann auch noch von Wolken: „Wir wussten beide es ist aus, nur hat es keiner geglaubt / Aber Wolken reißen auf, ob man hin oder weg schaut.“ Man kann das leicht abtun als kitschigen Folkpop, bei dem weder Folk noch Pop gelingt, aber das Unbeständige, das Gefühl, beim Hören könnten diese Songs entschwinden, ist in meinen Augen auch eine große Kunst. Dieses Album, es trägt den Titel „nie zur selben Zeit“, bleibt still und bescheiden und findet Schönheit und Größe durch die Hintertür. /// Wo Lina Maly ihn also weg lässt, den Pathos, sucht Tristan Brusch ihn, indem er so singt, als habe er Jacques Brel übersetzt: „Wenn die Liebe uns verlässt, halten wir uns fest, halten wir uns fest - am Rest.“ Diese Musik fischt gleichzeitig im Mut zu Kitsch als auch im blanken Unsinn, und irgendwo in der Wand dazwischen hält ein Dübel auch noch das Kunstlied fest. Um so merkwürdiger, dass die Popsozialisation des singenden Songschreibers wiederum eher im Deutschrap erfolgte. Aber bei all den genannten Schubladen: Sein neuestes Album, das eben nach dem bereits zitierten Titelsong „am Rest“ benannt ist, sucht den Korridor für deutschsprachigen Chanson, durch den einst Reinhard Mey ins Wohnzimmer lief, einschliesslich vermeintlich hörbarer Vinyl-Kratzer. Aus irgendeinem Grund halte ich diese Lieder nur ganz schwer aus, aber nicht weil sie nichts taugen, im Gegenteil, sie sind nur für das Weghören eine Zumutung; eine Entdeckung, über die ich gerne mehr schreiben würde. ///
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