Die TV-Show „Sing meinen Song“
Da sitzen sie nun wieder in Südafrika, so Popstars, die man in Deutschland mehr oder minder kennt, und sie trinken alkoholische Getränke, hin und wieder steht jemand auf, und sie covern gegenseitig ihre Songs, danach fällt man sich traditioneller Weise in die Arme und beteuert, wie großartig diese Cover-Versionen waren. Die Rede ist von der VOX-Popsendung „Sing meinen Song - das Tauschkonzert“. Es ist dies zweifelsohne ein Popmusik-TV-Format, das funktioniert: Der Sampler, der pro Staffel entsteht, führt die Download-Charts an, und die aktuellen Alben oder Best-Ofs der Teilnehmer:innen verkaufen sich ebenso.
Schlecht ist die Idee dieser Show ja auch nicht. Das Covern von Songs ohnehin zum emblematischen Prinzip in der Darstellung von Pop im Fernsehen geworden, weil im Coversong das Original und zwei Interpret:innen durch Reibungsverhältnisse sichtbar werden, und, wenn uns ein Element vertraut ist, auch schon ein Grundprinzip von Popmusik generiert wird, nach dem wir in ihr Neues wieder erkennen. Das Cover ist dadurch die Tür zum Pop - in Castingshows für unbekannte Sänger:innen, beim Tauschkonzert für Sänger:innen, die auch schon bekannt sein können oder es eben durch diese Sendung werden - siehe Gregor Meyle oder die zweite Karriere von Sarah Connor, die seit der Reise ins Cover-Ressort Südafrika Deutschpop singt. Zudem haben beim Tauschkonzert schon andere Interpret:innen mitgemacht als die üblichen TV-Pop-Nasen wie BossHoss, Mark Forster oder eben Sarah Connor - Wolfgang Niedecken war dabei oder Judith Holofernes, Mary Roos und Samy Deluxe.
An sich könnte das Ganze also eine unterhaltsame Sache sein. Leider potenziert die Show auch ein Phänomen, unter dem ihre beiden Leitmedien, Dokusoap und Deutschpop, auch schon im Einzelnen leiden - das Phänomen der Brechstangen-Emotionalität. Deutschpop funktioniert ja ohnehin schon für sich nach der Mark-Forster-Formel, Trost nicht für Trostbedürftige zu spenden, als vielmehr Menschen, die sich in gewisser Zufriedenheit eingelebt haben, das Gefühl und die Illusion zu geben, Trost gebraucht und dann eben auch schon bekommen zu haben. * Diese Musik füllt sozusagen ein Vakuum, das sie vorher erfolgreich behauptet hat, mit heisser Luft - was um Himmels Willen ja auch völlig okay ist. Aber wenn jetzt auch noch die realfiktionale TV-Dramaturgie hinzu kommt, die wiederum das Ziel hat, möglichst viele Teilnehmer:innen an was auch immer so oft wie irgend möglich zum Weinen zu bringen, dann wird es doch arg zweischneidig. Und am nächsten Tag steht dann in einer Online-Klatschblatt: „Tränen bei Clueso – Nach Lottes Auftritt herrscht andächtige Stille“, nun ja, das riecht schon nach inszenierter Authentizität par excellence.
Permanent heulen sich die Popstars in Südafrika also in die Arme, wenn sie ihre Lieder in anderem Gewand hören, und wenn sie dann erzählen, dass sie diesen oder jenen Song ja eben auch geschrieben hätten, als sie dieser oder jener Schicksalsschlag getroffen habe, auch wenn es sich dabei um ein Lied handelt, welches in Wirklichkeit ein Songwriting-Camp von sieben jungen Männern mit algorithmischen Prinzipien geschrieben hat, damit es auf Spotify funktioniert. Man sieht dann dabei zu und denkt sich: Wo kommen alle diese Gefühle her? Soll ich die jetzt auch haben? Oder man sieht nicht dabei zu und bekommt hin und wieder die Top-Meldungen, wer geweint hat, in die Timelines gespült.
* Selbstzitat: "Die Forster-Formel" < Hier >
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