Die CD wird 40
Die CD war eine Verheißung, ihre Neuheit trug Versprechen der Moderne in sich, eine Moderne, die sich nicht zuletzt durch einen gewissen Kult der Verkleinerung definierte - auch Handys, wir erinnern uns, wurden eine zeitlang kleiner und mithin hipper; und natürlich war sie herrlich klein, die CD - und ist es bis heute. Meine erste Begegnung mit der CD hatte auch mit dieser Verkleinerung zu tun - lange bevor ich ein Abspielgerät für die komischen Scheiben hatte, und es ging um ein sehr tolles Album: „Nothing Like The Sun“ von Sting - im Karstadt in Darmstadt wurde die CD mit Sting und Sting mit CDs beworben, und als der Promotion-Stand dann abgebaut wurde, verschenkten sie die Booklets des Sting-Albums, das ich dann mit nach hause trug, und obgleich ich damals, vor 35 Jahren, noch keine Lesebrille brauchte, konnte ich die Songtexte auf dem Booklet nicht entziffern - man hatte das ganze Ding einfach verkleinert gedruckt, und die Schrift war so albern winzig, dass es eine Lupe brauchte, um Stings Songtexte zu lesen.
Aber nicht nur die Kleinheit der CD war verheißungsvoll, auch ihrer Haltbarkeit eilte der Ruf voraus, die Schallplatte zu toppen. Was für ein Irrtum! Die CD besteht aus Polycarbonat, einer dünnen Metallschicht sowie Schutzlacken und Druckfarben. Alle diese Schichten sind anfällig, und wenn die CD irgendwo beschädigt ist, dann springt sie nicht wie bei Vinyl-Platten und verursacht wie bei diesen vielleicht ein Kratzen, Rauschen oder irgendeine Verzerrung, nein, sie geht unter Umständen gar nicht mehr. Ein Klassiker der CD-Schäden ist, wo wir gerade dabei sind, das Herausbrechen der in der Mitte der Hülle im Kreis angeordneten Noppen, die die CD selber halten sollen, und wenn drei, vier fehlen, hält die CD sie nicht mehr sondern wackelt in der unfassbar hässlichen Plastikhülle bestürzend herum, und sobald also die Hülle hin ist, kann man sicher gehen, dass die Compact Disc dann auch zerkratzt.
Historisch ist die Compact Disc aber natürlich - erstmalig wurde der Schall auf ihr digitalisiert, und der digitale Aggregatzustand, an dessen derzeitigem Ende das Streaming steht, hat den Musikmarkt in einer Weise verändert, wie man sich das in den 90ern nicht vorzustellen vermochte. Die Verkleinerung des Objektes brachte quasi auch die Verkleinerung der Datenmenge mit sich, oder vielmehr wurde durch die Auflösung in Nullen und Einsen Musik erstmalig zu einer Datenmenge und verlor dadurch an Wert. Die Musikindustrie lamentierte in der Folge vom Entwerten der Musik durch das massenhafte Teilen via Napster etc., ohne zu erkennen, dass die Entwertung von Musik als Daten von ihnen erfunden ward.
Für Nutzer:innen des neuen Musikträgers stand das Digitale aber nicht im Vordergrund, der größte, spürbare und emotionale Unterschied zwischen Platte und CD war die Tatsache, dass es nicht mehr zwei Seiten gab, man musste nichts mehr rumdrehen. Das führte auch zu einem viel größeren Gefälle der Abspielhäufigkeit von Tracks: Auf der Seite einer Platte sind im Durchschnitt 5 bis 6 Songs, und wenn man eben eine Seite erst einmal aufgelegt hat, hört man diese 5-5 Songs auch meistens. Auf die CD passen 74 Minuten Musik, und die Lieder, die sonst die letzten beiden auf Seite 2 eines Albums waren, wurden nun zum neunten, zehnten, Song, oft genug, wenn man noch Bonus drauf packt, erklingen die letzten Lieder erst nach mehr als einer Stunde - und also im Schnitt deutlich seltener. Hinzu kam, dass bestimmte dramaturgische Funktionen von Songs innerhalb eines Albums nicht mehr nötig waren - man könnte beispielsweise ein Buch über ideale erste Songs auf B-Seiten von Schallplatten schreiben, aber ein Abhandlung über die gelungensten sechsten Lieder auf einer CD wäre vermutlich öde. Diese Tatsache brachte allerdings auch ein neues Phänomen: Den hidden Track. Einen Song, der auf keiner Liste stand, und der nach 5, 10 Minuten Stille plötzlich in der Küche erklang, das war lustig. Dennoch ist die CD weit hinter Vinyl, Kassetten, Download und Streaming das unsexyste Medium, mit dem Musik hören kann - Happy Birthday.
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