Robbie Williams leidet unter seinem Bedeutungsverlust
Moment mal, ein Best-Of-Album von Robbie Williams? Gibt es das nicht längst? Doch schon. Aber zum 25-jährigem Jubiläum des Beginns seiner Solo-Karriere hat er alle seine Hits noch mal mit Orchester eingespielt. He? Gab es das nicht auch schon längst? Eines seiner gefühlt 7 Swingalben wird doch sicher mit seinen Hits gewesen sein. Nein, nein - nichts da Swing: Mit breitwandigen Streichern und Poporchesterpathos, mit wehenden Fahnen und fast schon riefenstahlschem Cover-Foto verkauft Robbie Williams nun seinen Song-Katalog. Der Aufwand, der dabei für dieses „Best-Of“ betrieben wurde, die Art und Weise, wie hier mit den Mitteln der Klang-Komprimierung das Orchester in die Breite gezogen wird, so dass das Ganze auf jeder Boombox noch nach Waldbühne klingt, ist enorm. Die ohnehin schon effekthascherischen Songs, die meisten aus der Feder von Williams’ Haus- und Hofkomponist Guy-Chambers klingen nun noch triefiger, pathetischer und bombastischer. Da waren wirklich Spezialisten am Werk, irgendwelche Soundingenieure, die für Williams diese Breitwand-Klangbetten ausproduziert haben, - und sie dann ihrem Kunden vorgespielt.
Aber leider scheint Robbie das Interesse an seinen eigenen Hits verloren zu haben. Mit stoischer Gleichgültigkeit singt er zum soundsovielten Male „Free“, „No Regrets“ und das unkaputtbare „Angels“ sowie noch weitere 26 Lieder. So betreibt die Williams die Selbstmusealisierung als trotziges Kind einer vergangenen Pop-Ära, in der noch CD-Verkäufe und MTV massgebende Kriterien waren, und beim dritten Lied will man dem guten Robbie zurufen: Wenn du so wenig Bock hast auf diese Platte, dann lass es doch vielleicht einfach sein. Aber er hat es natürlich nicht sein lassen, und als würde er sich selber rückversichern, dass er es doch noch kann, so beginnt diese Platte mit dem Queen-Wiedergänger „Let Me Entertain You“. Jaja. Darfst mich ja entertainen, Robbie. Aber man wird das Gefühl nicht los, dass Williams zum ultimativ letzten Mal diese Bitte äussert, man möge sich von ihm unterhalten lassen; und danach begräbt er dann seinen Song-Katalog in Schmalz und Zucker. Wobei Pathos und Selbstmitleid ausreichen, um gleich die gesamte Popmusik als solche mit in den Abgrund zu reissen - dieses merkwürdige Album mit dem Titel „XXV“ ist ein Requiem auf alles Populäre in der den 90ern vollkommen fremden Ära der Postcharts. Getreu dem Motto: Wenn ich, Robbie fucking Williams, schon kein Popstar mehr bin, soll es auch gar kein Pop mehr geben - nach mir die Sintflut.
Der einzig neue Song auf diesem Abgesang von Album heißt bezeichnender Weise „Lost“, und hier klagt er dann auch, dass er mit diesem Jahrzehnt von Tik Tok, Hyperpop und Viralität statt Chartstauglichkeit so gar nichts anfangen kann: „I lost my place in life / I lost my point of view / I lost what it is to love / When I lost my faith in you / A walk out of my masterpiece / To the nothingness greeting me / Everything smells like sympathy.“ - ach naja. Irgendwo hat er ja auch Recht: Was ist uns denn vom Pop geblieben? Nichts. Aber eben auch alles. Denn von irgendwoher kommt dann auch wieder eine Billie Eilish oder eine Olivia Rodrigo und weist auf, dass Pop ebenso kurzlebig wie ewig ist, und mit ein bisschen Augenzwinkern kann man auch ohne Selbstmitleid noch mitreissende Popmusik machen, wenn man fast 50 ist.
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