Ohren auf beim Deutschpopkauf - Folge 23 (ca)
Nicht sehr beackert wird das Feld des Blödel-Metals. Komisch eigentlich: Baby-Metal, Mittelalter-Metal, Death-Metal - viele Metalle gibt es Poperiodensystem, aber metallen geblödelt wird relativ wenig. Deutschlands meiste Band Knorkator sind also allein auf weitem Subgenre-Flur. Die satirischen Hardrocker haben die NDW in den Rock geschweisst, und ihr neues Album „Sieg der Vernunft“ ist wider jeder Vernunft vorne in den deutschen Charts: Brettharte Riffs, herrlich bekloppte Texte und Deutschpop-Zitate für die Referenz-Jäger - ein gutes Rezept, und Spass macht es auch irgendwie - im Opener singen sie von einem Asteroiden, der auf die Erde zujagt, fast schon „Look Up“ als Metal-Song: „Schicken wir Atomraketen, um das Ding zu sprengen / Oder müssen wir uns alle in Bunkern zusammendrängen? / Was auch passiert, eine Sache ist klar: /Die Welt wird nie wieder so, wie sie vorher war.“
Konzepte aber sind für die Demarkationslinien der Alleinstellungsmerkmale im Deutschpop schon elementar; jedenfalls beweisen dies ein ums andere Mal die Shantydeutschrocker von Santiano, die nun erstmals Bilanz ziehen mit ihrer Compilation „Die Sehnsucht ist der Steuermann - das Beste aus 10 Jahren“, und besser hätten sie eine solche Zusammenstellung ja nicht betiteln können, denn in dem Singen von Semannsweisheiten als Allegorien auf das urbane Leben besteht das Konzept dieser Band, deren Steuermann also in diesem Sinne tatsächlich die Sehnsucht ist. Denn einem echten Seemannsmann muss immer der Wind um die Nase wehen, und wenn er hinfällt setzt er allemal ein anderes Segel, da er weiß: Wellen sind nur die Spitze des Eisbergs, wenn die Ruhe vor dem Sturm ebendiesem gewichen ist, und die Kälte kann nun mal auch mit der Ebbe kommen - stille Wasser tief, und wer entern will, muss auch B sagen.
Wer dabei schlechte Laune bekommt, der muss sich von Max Raabe fragen lassen, warum, denn dessen neues Album heißt „Wer hat hier schlechte Laune?“: „Brauchst du 'ne Umarmung, ein Kuss oder 'n Kicks?/ Oder dicke Socken für unterwegs? / Willst du Schokolade oder Teddybär? / Hast du 'ne Blockade? / Komm, setz dich mal her:“ Raabe, der irgendwann seine Komfort-Zone der 20er des letzten Jahrhunderts verlassen hat und dann mit Anette Humpe anfing, Popsongs zu schreiben, in deren DNA eben diese seine Komfort-Zone nur mehr ein fernes Zitat war, dieser Raabe also hat sich nun das Feld des Pop mit Allzweckwaffe Peter Plate wieder komfortabel einrichten lassen: Im breiten Orchesterklang der Echokammer des Deutschpop wirkt die Beiläufigkeit des Raabeschen Gesangs fast schon ein wenig verloren - man vermisst die Stacheln von kleinen grünen Kakteen. Peter Plate, den ich hier Allzweckwaffe nannte, ist Teil von Rosenstolz, Komponist und Texter für Michelle, Sarah Connor, Bibi und Tina und viele Andere, und ein Meister der Leichtigkeit, der aber immer auch ein wenig die Frechheit fehlt. Was für Sarah Connor funktioniert hat, der sie für ein queeres Publikum anschlussfähig machte, scheint Max Raabe eher auszubremsen.
Jadu befindet sich im Modus Operandi - so jedenfalls heißt ihr neues Album. Die Multi-Intrumentalistin hat sich einen vielschichtigen Pop entworfen, ein breit orchestralen Klangteppich aus Hiphop-, Singer-Songwriting- und Jazz-Elementen, auf dem sie Gesang, Chöre, Spoken-Words und Raps schichtet. Erstaunlicher Weise wirkt das Ganze aber zu keiner Zeit überladen, sondern in sich stimmig und homogen. Ihre merkwürdig düsteren Lyrics, die anmuten als seien sie ein Tagebuch in Songtexten, ziehen sogar noch eine weitere Ebene in dieses filigrane Pop-Konstrukt. („Ich bin im Modus Operandi / I know that It 's toxic / Doch Fuck, ich bin Junkie/ Luzifer erwischt mich Inflagranti/ Ab in den Fahrstuhl / Avanti Avanti. „ Ich muss zugeben, dass dies alles in allem überhaupt nicht meine Wiese ist, aber „Modus Operandi“ ist zweifelsohne in dem, was es sein möchte, ein Meisterwerk.
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