Taylor Swift und ihre Poprettung um Mitternacht
Taylor Swift hat mit den Alben „Reputation“ (2017) und „Lover“ (2019) den Postpop entworfen: Freie, radikale Hooks, die wie Trabanten auf Umlaufbahnen um eine zentrale Soundidee kreisen. Das klang dann wie hysterischer Minimalpop. Mit zwei Folk-Alben ("Folklore" und "Evermore", beide 2020) hat sich Swift dann auf Lyrics als den Kern von Songs zurück besonnen, und ihr neues Album nun, „Midnights“ fusioniert Postpop und Rückbesinnung in ein lupenrein blubberndes Synthiepop-Album.
Die der Veröffentlichung nur einige Stunden voraus geeilte Single „Anti-Hero“ setzt den Tonfall: „I have this thing where I get older, but just never wiser / Midnights become my afternoons / When my depression works the graveyard shift / All of the people I've ghosted stand there in the room“ singt Taylor zum Sequenzer, und die anti-heroische Hymne wird flankiert von Hashtags des Unperfekten: Fans des Liedes posten in den sozialen Medien Videos von ihren Schwächen und wählen als Soundtrack den Refrain „It's me / Hi / I’m the problem, it's me.“ Das hat in der ja doch recht perfekt durchgestylten Welt der Taylor Swift schon ein Understatement, welches Fallhöhe generiert: In den mitternächtlichen Stunden mit unseren Rotweingläsern sehen wir alle gleich aus, selbst der Überstar erträumt sich zur einsamen Geisterstunde, Taylor Swift zu sein: Wir kochen alle nur mit Mondwasser.
Die eigentliche Botschaft von Taylor aber ist: Man kann auch Spotify-Kompatiblen Pop und trotzdem Alben machen - „Midnights“ ist keine Playlist. Hier wird also die Idee des Albums und des Pops gerettet - Postpostpop quasi, der dem Pop ohne Postpost irre nahe kommt. Schon toll.
Kommentare