Schöne Songs auf dem ersten Album von Wilhelmine
Die Popsängerin Wilhelmine hat sich mit einigen Singles, EPs sowie einem Patreon-Account eine treue Fanbase aufgebaut und dieser und natürlich allen anderen interessierten Hörer:innen nun ein Album geschenkt - "Wind" heißt es. Ihr Autorinnenpop strotzt derart vor Empowerment und Diversität, vor woker Klarheit und wirklich tollen Texten, dass die Lieder in der Geballtheit eines Albums einen höchst ungewöhnlichen, wundervollen Kitsch ausstrahlen. Da ist es fast schon schade, dass ihr Signature-Song „Meine Liebe“ fehlt. (Aber das macht ja eigentlich auch nichts, denn den kann man ja trotzdem mal wieder hören.)
Die Stärke der Songtexte von Wilhelmine ist eine eher beiläufige Art, von sich und mithin vom Miteinander zu erzählen, eine relaxte Lakonie, durch die sie einerseits viel von sich aber dann eben auch viel von Anderen erzählt, und durch die so plötzliche, wunderbare Zeilen erklingen wie: „Die Wohnung hier wird auch mit neuen Möbeln nie nur meine.“ oder „Ich sollte jeden meiner Wege mit dem Herz gehen, hat mir mein Yogitee gesagt, dann versuch' ich das jetzt mal.“ - eine solche Art, Song zu texten, mag ich sehr - es echot Wut darin, aber die scheint überwunden, und diese Musik ist daher weise und auf schöne Weise versöhnlich.
Das einzige, das man dieser Platte vorwerfen kann, ist, dass die lyrische und melodische Schönheit und Schärfe der Lieder manchmal deren Arrangements übertüncht, und irgendwann merkt man dort dann eine gewissen Gleichförmigkeit: Akustische Gitarren und sanfte Beats, dann Chöre und Synthies mit viel Echo, die andere Soundräume aufstossen, Sequenzer, die Refrains beschleunigen - das wirkt auf Albumlänge als duschdekliniertes Rezept. Aber ach, es ist dennoch eine tolle Platte.
Als ich vor etwas einem halben Jahr mal meine Tochter von den Pfadfinderinnen abholte, und Zuschauer:innen vor dem "übel & gefährlich" warteten, und diese auf die Frage, wer denn heute dort spielte, in einer derart euphorischen Vorfreude antworteten: "WILHELMINE! WILHELMINE!", strömte Liebe zu dieser Musik aus den Wartenden, und tatsächlich hat auch mir die Musik von „Wilhelmine“ einmal durch eine Krise geholfen - mitten in der Corona-Zeit schimmerte mir Hoffnung in Liedern. Wenn man das über Musik sagen kann, dann kann man sich Arrangement-Gemäkel auch grad mal sparen.
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