Popmusik, wie sie wundervoller kaum sein kann: Peter Gabriel auf seiner aktuellen Tournee
Seine frühen Alben hat Peter Gabriel nicht benannt, die Fans nennen sie nach visuellen Eindrücken der Cover („car“, „scractched“ und „melt“), und seither reichen ihm immer zwei Buchstaben: „So“, „Us“, „Up“ und nun nach 17 Jahren Wartezeit erscheint in diesem Jahr „i / o“, von dem wir bislang 6 Songs kennen - samt und sonders Meisterwerke in Gabriels Oeuvre, und zu jedem Vollmond kommt ein neuer Song dazu. Das hält den Musiker aber nicht davon ab, mutmasslich alle Lieder von „i / o“ auf seiner derzeitigen Tour zu spielen - 12 an der Zahl, von denen das Publikum also die Hälfte gar nicht kennt. Trotz seines inzwischen stattlichen Alters von 73 Jahren handelt es sich bei dieser Tournee also nicht um einen nostalgischen Rückblick sondern um die klassische Konzertreihe aus Anlass einer neuen Platte. Und so wenig man diese Platte also wie gesagt kennt, so sehr kommt man aus dem Staunen nicht heraus - „and still“ ist eine stille Ballade mit dem klassischen Gabriel-E-Piano-Sound, „road to joy“ ist eine Hommage an seinen „Sledgehammer“ und „Home“ ist symphonischer Reggae - kein Song ist wieder andere, und doch merkt man schon im Konzert, dass alles aus einem Guss kommt.
Gabriel hat eine erschreckend versierte Band zusammen gestellt, unfassbare Musiker:innen; neben Manu Katché an den Drums, Tony Levin am Bass und David Rhodes an der Gitarre, mit denen er teils seit 50 Jahren zusammen spielt, hat er sich für den Motown-Funk-Sound im Gabriel-Popentwurf Don Mc Lean an den Tasten dazu geholt, und für die orchestrale Breite Josh Shpak am Flügelhorn und anderen Blasinstrumenten, Marina Moore an Bratsche und Geige, Richard Evans an weiteren Gitarren und Mandolinen und dann noch, heimlicher Star dieser Tournee, die Cellistin Ayanna Witter-Johnson - wenn sie hinter ihrem Cello mit Peter Gabriel "don't give up" (den Part von Kate Bush) singt, wer da nicht Tränen in den Augen hat, da weiß ich auch nicht. Und dann ist er natürlich noch da, Peter, er mag 73 sein, aber er singt wie eh und je wunderschön, dass man schmilzt.
Gut, wenn Gabriel spielt, bin ich eh nahe am Wasser gebaut - schon wenn er am Anfang auf Deutsch „jetzt kommt die Flut“ spielt, mit Keyboard auf dem Schoss und Tony Levin an dessen Stick genannten Bass mit 16 Saiten begleitet, dann war bei mit kein Halten mehr. Im zweiten Stück, "growing up", kommt nach und nach die ganze Formation an einem künstlichen Lagerfeuer zusammen, ach! Was hier mit diesen Musiker:innen auf die Bühne gespielt wird, ist meines Erachtens ein Höhepunkt der Popgeschichte, zum verrückt Werden schön.
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