Das Warten hat ein Ende: Ein neues Album von Peter Gabriel
Ha, natürlich kann Peter Gabriel machen, was er will - völlige künstlerische Freiheit hat er eh, und sollte ihm seine Plattenfirma reinreden wollen, was er tun oder lassen soll, dann ist das auch er: Real World, wo „i/ o“sein erstes Studioalbum nach 21 Jahren erscheint, gehört ihm. Man könnte sich aber durchaus vorstellen, dass Gabriel den Humor hat, als Label-Betreiber sich selber anzusprechen, auf seiner neuen Platte brauche es aber wieder einen funky Hit, einen „Sledgehammer“ eben. Dann hat er sich hingesetzt und „Road To Joy“ gemacht, das funky Brett auf „i/o“ mit sattem Beat, Disco-Streichern und fluffigen Synthietupfern - großartig.
Natürlich ist das Album „i/o“ brilliant - gleichermassen höchst privat, handelt von Liebe, Alter und Spaziergängen (der Titelsong), und dennoch ist dieses Album hochpolitisch und utopisch („the court“ und „panopticum“) -und der für mich bislang tollste Song, das herrlich verschleppte „Four Kind OF Horses“, in der Gabriel ein Land, eine Welt skizziert, in dem weder ein gut- noch ein bösartiger Superheroe Fuss fassen könnte, und man steigt nie ganz durch, ob hier von inneren Kämpfen oder politischen Symbolen gesungen wird, von Pferden oder von Menschen und ihrer begrenzten Zeit auf dem Planeten Erde - seit je her ein zentrales Thema von Gabriels Liedern. Die Lyrics von "Four Kind Of Horses" sind ein stetes allegorisches Parallelogramm, wie Gabriel es erstmalig mit „The Lamb Lies Down On Broadway“ geschrieben hat. Dieser Song ist ein Kunstwerk an sich, auf einem Album, dass viele Perlen zu einem Ganzen sammelt.
Der Popsound von „i/o“ ist stets komplex, symphonisch breit, jazzig verspielt, elektronisch hübsch und niemals abgehoben, staubrocken beatig, und man hört wiederum jedem Lied an, dass es am Piano entstanden ist. Die Detailverliebtheit, mit der hier jeder der 12 Songs ausproduziert wurde, wie sich Intros, B-Teile, Bridges und Strophen einerseits klaren Songstrukturen andienen und sie gleichzeitig verschachteln und aushebeln ist von hoher virtuoser Kunst, und gleichzeitig ist eben diese Virtuosität niemals nur Selbstzweck.
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