Woche der nachgeholten Albenbesprechungen - Folge 03: Was Katy Perry mit Tocotronic gemeinsam hat
Pop ist immer auch eine Frage des Timings - oder zumindest der Erfolg von Pop ist eine solche Frage. Wenn Beyoncé ein 90er-Retro-Album macht, dann erscheint das irgendwie als Punktlandung exakt dann, wenn die Leute diese Musik hören wollen. Als Madonna ihren zisseligen Dancefloor-Pop auf „Music“ in die Welt warf, wollten die Menschen genau dann zisseligen Dancefloor hören - obgleich sie das vorher selber nicht wussten, und eben dies ist die Gabe des Pop-Genre-Timings. Katy Perry hat dieses Gespür für den richtigen Pop zur richtigen Zeit irgendwie verloren. Ihr Elektro-Pop im Tanz-Quadrat, der Beats als freie Radikale in die Umlaufbahn um ihre neuesten Refrain-Autokratien ohne Melodien schickt, ist ein Flop: Das neue Album mit dem kryptischen Titel „134“ ist dabei gar nicht so schlecht, wie es kommerziell gescheitert ist: „I’m his, He’s mine“ ist ein subtile Paraphrase auf Crystal Waters’ „Gypsy Woman“, „Truth“ ist so perfide-perfekt produziert, als söge der Track die Stimme in den Strudel der Elektrizität hinein, so dass nur ein eklektischer Soundklumpen, ein Song-Konzentrat übrig bleibt. Genau dies war schon immer das Konzept hinter dem Pop von Perry: Die Songs suchen immer den kürzesten Weg, das Destillat der Grundidee, wodurch die Songtitel oft kongruent zum Song werden: Im Titelsatz „I kissed a girl“ schwingt nicht nur das „I liked it“ mit, sondern auch der „taste of her cherry chapstick“, ja das Lied im Ganzen. Erstaunlicher Weise ein Pop-Effekt, den sie sich mit Tocotronic teilt, deren Songtitel zwar oft deutlich länger, subtiler und schon auch komplexer sind, aber dennoch als Kernbotschaften so klar sind, dass die Liedern, die sie betiteln, diesen Aussagen kaum etwas dazu fügen. Vielleicht liegt aber eben auch in dieser Verdichtung von Kernbotschaften das Problem eben diese Botschaften gut zu timen: Wann ist schon die Zeit für explizit Zeitloses gekommen?
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