Crash-Kurs in Afrobeats
08. Januar 13
Hjaltalín aus Island und ihre neue Platte
„Enter 4“ nennen Hjaltalín ihr drittes Studio-Album, das also nur ihre vierte Platte ist, wenn man die Live-Aufnahme „Alpanon“ mitzählt. Die siebenköpfige Band aus Island hat für sich einen fast schon orchesterhaften Song-Pop entwickelt, der mit zwei Sängern - eine Frau, ein Mann - fast schon klassisch isländisch besetzt ist, mit einer Fagott-Spielerin als festes Bandmitglied aber dann doch sehr ungewöhnlich daher kommt. Ihr erwähntes Live-Album ist dann auch, in diesem Fall also durchaus konsequent, mit ganzem Orchester aufgenommen. Hin und wieder, insbesondere auf der zweiten Platte „Terminal“, gerät der Hajltalínsche Popentwurf ein wenig nahe an musicalhaften Kitsch. Diese Gefahr haben sie nun komplett gebannt und den Beats und Drums ihrer Musik eine deutlich wichtigere Rolle eingeräumt. Fast scheint es, als hätte Schlagzeuger Axel Haraldsson eine Crash-Kurs in Afrobeats bei Tony Allen belegt. Flockige Patterns tackern entspannt durch die nach wie vor wunderschönen Melodien und geben den Stimmen von Sigríður Thorlacius und Högni Egilsson ein schärferes Rhythmusbett als bislang. Die Platte wirkt so durchweg subtiler und abgründiger und bietet mehr Gelegenheiten komplett andere Dinge zu versuchen, als Hjaltalín es bislang getan haben. In diesem Sinne ist der Opener „Lucifer / He Felt Like A Woman“ durchaus programmatisch in seinen vielen flibbernden Ideen, die vom Beat und der letztlich klaren Songstruktur zusammen gehalten werden. Pop-randseitigere B-Teile und vollständige Abwege, elektronische Pfade und klassische Balladen zeigen eine Band, die unendlich viel versucht und doch immer bei sich bleibt, und die aus diesem Grund für mich zu den interessantesten Bands überhaupt zählen: Wunderbar!