Popland Island

Crash-Kurs in Afrobeats

Hjaltalín aus Island und ihre neue Platte

Bildschirmfoto 2013-01-08 um 11.06.48„Enter 4“ nennen Hjaltalín ihr drittes Studio-Album, das also nur ihre vierte Platte ist, wenn man die Live-Aufnahme „Alpanon“ mitzählt. Die siebenköpfige Band aus Island hat für sich einen fast schon orchesterhaften Song-Pop entwickelt, der mit zwei Sängern - eine Frau, ein Mann - fast schon klassisch isländisch besetzt ist, mit einer Fagott-Spielerin als festes Bandmitglied aber dann doch sehr ungewöhnlich daher kommt. Ihr erwähntes Live-Album ist dann auch, in diesem Fall also durchaus konsequent, mit ganzem Orchester aufgenommen. Hin und wieder, insbesondere auf der zweiten Platte „Terminal“, gerät der Hajltalínsche Popentwurf ein wenig nahe an musicalhaften Kitsch. Diese Gefahr haben sie nun komplett gebannt und den Beats und Drums ihrer Musik eine deutlich wichtigere Rolle eingeräumt. Fast scheint es, als hätte Schlagzeuger Axel Haraldsson eine Crash-Kurs in Afrobeats bei Tony Allen belegt. Flockige Patterns tackern entspannt durch die nach wie vor wunderschönen Melodien und geben den Stimmen von Sigríður Thorlacius und Högni Egilsson ein schärferes Rhythmusbett als bislang. Die Platte wirkt so durchweg subtiler und abgründiger und bietet mehr Gelegenheiten komplett andere Dinge zu versuchen, als Hjaltalín es bislang getan haben. In diesem Sinne ist der Opener „Lucifer / He Felt Like A Woman“ durchaus programmatisch in seinen vielen flibbernden Ideen, die vom Beat und der letztlich klaren Songstruktur zusammen gehalten werden. Pop-randseitigere B-Teile und vollständige Abwege, elektronische Pfade und klassische Balladen zeigen eine Band, die unendlich viel versucht und doch immer bei sich bleibt, und die aus diesem Grund für mich zu den interessantesten Bands überhaupt zählen: Wunderbar!


Die Besten Songs & Alben 2012, strengstens subjektiv

Alben

01 David Byrne & St Vincent    Love This Giant           > Link

02 Hjaltalín                   Enter 4                   

03 Sophie Hunger               The Danger Of Light       > Link

04 Lianne La Havas             Is Your Love Big Enough?  > Link

05 Dexys                       One Day I‘m Going To Soar > Link

06 Of Montreal                 Paralytic Stalks          > Link

07 Esperanza Spalding          Radio Music Society       > Link

08 Poliça                      Give You The Ghost

09 Fatoumata Diwara            Fatou                     > Link

10 Of Monsters And Men         My Head Is An Animal      > Link

Zwei Platten habe ich zu spät gehört, um sie hier zu erwähnen, ich vermute inzwischen aber, sie hätten sich in die vorderen Plätze gedrängt: "An Awesome Wave" von Alt-J und Darren Haymans neues Doppel-Album "The Violence".

Songs

01 Poliça                      Dark Star

02 Max Herre & Sohie Hunger    Berlin-Tel Aviv

03 Hjaltalín                   Lucifer/He Felt Like a Woman

04 David Byrne & St Vincent    Who

05 Lianne La Havas             Age

06 Sophie Hunger               LikeLikeLike

07 Of Monsters And Men         Dirty Paws

08 Of Montreal                 Dour Percentage

09 Esperanza Spalding          Radio Song

10 Lena                        Stardust

 

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Allen Lesern schöne Feiertage und einen guten Rutsch - der Popticker geht am 2. Januar 2013 weiter !


10 Jahre Popticker - Jubiläums-Special III: Zehnerlisten & Jubiläumscharts

Heute vor zehn Jahren, am 03.12.2002 habe ich den Popticker angefangen - schon irre - heute also Listen, Listen, Charts!

Charts der Nennungen in zehn Jahren

Diese Liste habe ich vor neun Jahren angefangen und habe dann so gewissenhaft wie möglich an jedem Jahresende weiter gezählt. Bis 2006 habe ich eine Datei geführt, in der alle Popticker-Texte ever drin waren, und anhand dieser Datei konnte ich die Zählung überprüfen. Seit fünf Jahren kann ich nur noch hoffen, dass das Ganze stimmt - aber wird schon. Die Zahl in den Klammern ist die Vorjahresplatzierung.

01 (01) Britney Spears                      492     Bildschirmfoto 2012-12-03 um 12.47.21

02 (02) t.A.T.u.                            412

03 (03) Lena Meyer-Landrut                  385

04 (04) Kylie Minogue                       362

05 (05) Katy Perry                          122         Bildschirmfoto 2012-12-03 um 12.49.22

06 (09) Peter Gabriel                       111

07 (10) Camille                             110

08 (08) Morrissey                           109

09 (07) Lily Allen                          070

10 (06) Madonna                             078

 

Zehn Lieder, die den Popticker sehr beschäftigt haben

01 t.A.T.u.            All The Things She Said Bildschirmfoto 2012-12-03 um 12.50.43

02 Lily Allen          LDN

03 Kylie Minogue       Can‘t Get You Out of My Head

04 Britney Spears      Toxic

05 Katy Perry          I Kissed A Girl

06 Camille             Ta Douleur

07 Vanessa Paradis & M Les Piles Bildschirmfoto 2012-12-03 um 12.51.39

08 Lena                Satellite

09 Dixie Chicks        Not Ready To Make Nice

10 Kate Nash           Mouthwash

 

Zehn Videos, die den Popticker sehr beschäftigt haben

01 t.A.T.u.            All The Things She Said

02 Britney             Spears Toxic

03 Kylie Minogue Come  Into my World Bildschirmfoto 2012-12-03 um 12.53.53

04 Robbie Williams     She‘s Madonna

05 Lykke Li            I‘m Good, I‘m Gone

06 Lily Allen          LDN

07 Brett Domino Trio   Justin-Timberlake-Medley

08 Kutiman             YouTube-Mash-Ups

09 LaRoux              Bulletproof

10 Christina Aguilera  Fighter

 

Zehn Sängerinnen und Zehn Sänger, die den Popticker sehr beschäftigt haben

01 Kylie Minogue                 01 Robbie Williams Bildschirmfoto 2012-12-03 um 12.54.55

02 Britney Spears                02 Morrissey

03 Camille                       03 Darren Haymann

04 Lena Meyer-Landrut            04 Peter Gabriel

05 Lily Allen                    05 M (Mathieu Chedid)

06 Katy Perry                    06 Damon Albarn

07 Christina Aguilera            07 Youssou N‘Dour

08 Alizée                        08 David Byrne

09 Björk                         09 Trevor Horn

10 Rachel Stevens                10 Herbert Grönemeyer

 

Zehn Bands, Duos oder Trios, die den Popticker sehr beschäftigt haben

01 t.A.T.u.                     06 Hot Chip

02 Gorillaz                     07 Sugababes Bildschirmfoto 2012-12-03 um 12.59.57

03 Modest Mouse                 08 Pet Shop Boys

04 Hjaltalín                    09 Fugees

05 Dixie Chicks                 10 Of Montreal

 

Zehn Alben, die den Popticker sehr beschäftigt haben

Camille            Le Fil Bildschirmfoto 2012-12-03 um 13.02.10                 

Morrissey          You Are The Quarry

The Divine Comedy  Bang Goes The Knighthood

Hjaltalín          Sleepdrunk Seasons

Darren Hayman      January Songs

Dixie Chicks       Takin The Long Way

Robbie Williams    Rudebox

Christina Aguilera Stripped

Of Montreal        Hissing Fauna, Are You The Destroyer?

Peter Gabriel      So

 

Zehn Worte oder Begriffe, die der Popticker erfunden hat, um über Pop zu sprechen

Autorinnenpop      Singing und Songwriting von jungen Sängerinnen                      mit dem ungestörtem Hang zu den Verheissungen                       der Popmusik

Popstörquotient    (PSQ) Bewusste, akustische Störungen aus Angst                      vor den Verheissungen der Popmusik

Miss-geschrieben   Adäquat zum Missverstehen

Kyliesophie        Das Nachdenken und Philosophieren über Kylie                        Minogue

Hybridbeat         Zweischichtiger, sich überlagender Beat

Popmüllhaufen      Popmusik, die niemals mit der Idee in Verbindung                    stand, zeitlich über sich hinaus zu weisen

Urbane Prothese    Hilfsmittel und Gadgets, die den privaten Raum                      in den öffentlichen verlängern und damit                            umdeuten

Popentwurf         Ganzheitliches Konzept, das eine Popinterpretin,                    ein Sänger oder eine Band verfolgt

Refraindiktatur    Der Trend, Songs zu machen, deren Refrain den                        Rest komplett überschattet - bestes Beispiel:                        „I Kissed A Girl“ von Katy Perry

Poptopos           Ein für die Bildflächen des Pop inszeniertes,                        mögliches Ereignis, durch das sich ein Image                        des jeweiligen Interpreten sichtbar machen                          lässt


Folk der Geysire

Schon wieder eine wunderbare Band aus Island

Dass ich von der Band „Of Monsters And Men“ erst erfahren habe, als sie hierzulande in den Charts waren, hat etwas an meinem Selbstbewusstsein als Entdecker isländischer Bands Bildschirmfoto 2012-06-23 um 13.49.45gekratzt. Viele Bands kommen aus dem nordischen Land der Geysire, und wenn man bedenkt, dass es nur 300.000 Isländer gibt, und isländische Band wiederum vornehmlich relativ viele Mitglieder haben, kann man daraus irgendwie errechnen, dass in Island rein prozentual ziemlich viele Popmusiker leben und davon auch leben können. „Of Monsters And Men“ können es jedenfalls: Ihr Debutalbum „My Head Is An Animal“ verkauft sich saugut, auf iTunes-Deutschland war es einige Wochen sogar an der Chartspitze, und auch England ist dem Singalong-Chamber-Folk der 6 Pulloverträgerinnen erlegen - wen wundert‘s? Die Platte ist von berückender Schönheit, erdig, trocken, melancholisch und voller einfacher, wunderbarer Melodien. Mit dieser Band schält sich so etwas wie ein neuer isländischer Folk langsam aber sicher als Genre heraus. So gibt es zum Beispiel jenseits der an sich vielen Mitglieder eine Gemeinsamkeit, die „Of Monsters And Men“ mit anderen isländischen Formationen teilen: Eine Sängerin und einen Sänger. Das ist dann schon auffällig, denn das gibt es auch bei „Útidúr“, „Hjaltalín“, „Seabear“ und „Retro Stefson“ und „FM Belfast“ (die allerdings astreinen Elektropop machen) auch -und sogar Sugarcubes hatten ja damals neben Björk diesen Rufer Einar. Nimmt man also „FM Belfast“ aus, ist allen genannten Bands auch gemein, dass sie mit teils fast orchestralen und popfremden Instrumentierungen ein sattes und ausgewogenes Soundgewand suchen, dass Hjaltalín-Sänger Högni Egilsson einmal Chamberpop nannte. Bei „Of Monsters And Men“ kommen zudem bestechende Lalala- oder Ouh Ouh Ouh-Singalongs dazu, die die Lieder vertraut erscheinen lassen.


Kosmischer Appsprung

Gesteinsformationen und Aggregatzustände: Hat Björk noch alle virulenten Tassen im Schrank?

„Biophilia“ ist nicht einfach nur der Name eines Albums von Björk, es ist eine Arbeitsphase in ihrem Schaffen, dessen Zentrum die Platte mit diesem Titel ist. Und um diese Platte scharen sich verschiedenste andere Arbeiten und Kooperationen der isländischen Sängerin: Björk hat Bildschirmfoto 2011-10-13 um 11.35.49mit entsprechenden Experten neue Instrumente gebaut, sie geht mit diesen Instrumenten drei Jahre auf Tour, sie hat eine App für das iPad programmieren lassen, das als Portal für Sub-Apps dient, mit denen sich die musikalischen Bögen einzelner Lieder mittels der appleschen Multitasking-Gesten verändern und remixen lassen, sie hat Filme gedreht, die teils auf den Konzerten, teils im Internet und wohl auf einer DVD zu sehen sein werden. Von allen diesen Vorhaben hat man in den letzten Monaten vieles gehört, wenn man sich für Björk interessiert, nun aber ist zunächst einmal das Album erschienen, wo die Lieder in der Form zu hören sind, wie man Lieder kennt: Man sieht weder selbst gebaute Instrumente noch Apps auf einem Bildschirm.

Die Musik auf dieser CD hört sich erst einmal an, wie sich Lieder von Björk eben anhören: Einerseits organisch, ländlich, landschaftlich und andererseits elektronisch, verstörend, rumorend - diesen inneren Widerspruch treibt Björk auf „Biophilia“ allerdings auf die Spitze. Über allen gebauten Orgeln und daher gezutzelten Beats thront Björks Stimme in diesen merkwürdigen björkschwülstigen Melodien und dem isländischen Englisch-Akzent: Niemand könnte unter diesen Gesang Musik erfinden, niemand könnte auf diese Musik singen. An sich sind die Lieder im Popsinne wieder zugänglicher und prinzipiell auch melodischer geworden als auf den beiden letzten Alben „Medulla“ (2004) und „volta“ (2007), und doch fragt man sich immer wieder und wie immer, ob diese Frau wohl noch alle Tassen im Schrank hat; wenn etwa das erst von einer fast kirchlichen Energie einer Orgel getragene „thunderbolt“ in einen künstlich verlangsamt wirkenden Dub-Bass mündet, der mehr oder minder zufällig zum Ende hin auszuswummern scheint, oder wenn „mutual core“ wahllos dahin driftet, als hätte Björk jede ordnende Macht über ihre Musik verloren, wenn man diese nicht mit einer App zähmt. So ist es dann aber auch wieder nicht: Dieses Album in seiner blossen Album-Form ist so kunstvoll und virtuos ausproduziert, wie man in den letzten zehn, fünfzehn Jahren sicherlich keine Musik gehört hat. Selbst auf meinem mittelmässigen Computer-Lautsprechern erlangen die Songs eine räumliche Dichte, die eine so starke, tragende innere Spannung erzeugen, wie man sie Popmusik eigentlich gar nicht mehr zugetraut hätte. Mir fiel in meiner ersten Begeisterung eigentlich nur eine Referenz ein, das Album „homogenic“ (1997) ebenfalls von Björk. Sie hat tatsächlich die „full artistic controll“, wie sie es einst bei Harald Schmidt sagte, und sie nutzt sie nach wie vor wie keine andere Popsängerin auf diesem Planeten.

Dann sind da aber auch die Texte: Björk singt hier über Viren, Gesteinsformationen, Aggregatzustände, kosmische Kreise und komische Planeten; einerseits macht das Laune und Spass, (wenngleich die Platte dann doch recht humorfrei daher kommt), anderseits aber fragt man sich nach drei, vier Liedern dann schon: Könntest Du, liebe Björk, auch mal über etwas singen, das in dem Kosmos, in dem ich, Dein Hörer, lebe, eine Rolle spielt - und nicht nur in dem von „Biophilia“? Das ist dann aber auch Augenwischerei, denn zweifelsohne: Eine Musik wie diese hat man noch nicht gehört, und das passiert dann eben auch nur alle 10 bis 15 Jahre, das letzte mal ging es mir 1997 so: Erstes Hören von „Homogenic“ auf dem kleinen Ghettoblaster in der Küche der Knaackstrasse 90, Berlin. Nun bin ich gespannt ob ich dieses Erlebnis in diesem Monat zweimal haben darf: Morgen erscheint „Ilo Veyou“ von Camille.


Platten & Songs des Jahres 2010

Popticker: Platten des Jahres 2010

  1. Hjaltalín /// Terminal Hjaltalin_terminal
  2. David Byrne & Fatboy Slim /// Here lies love
  3. The Divine Comedy /// Bang goes the knighthood
  4. Darren Hayman /// Essex Arms
  5. Ellie Goulding /// Lights
  6. The Wave Pictures /// Susan Rode the Cyclone
  7. Gorillaz /// Plastic Beach
  8. Janelle Monáe /// The ArchAndroid
  9. Of Montreal /// False Priest
  10. ZaZ /// ZaZ

Zwei Platten würden ganz sicher in diese Liste gehören, wenn ich sie denn schon ausreichend gehört hätte: Arcade Fire /// The Suburbs & Laurie Anderson /// Homeland. Zu fast allen genannten Platten finden sich Kritiken < HIER >.

Popticker: Songs des Jahres 2010

  1. Lena Meyer-Landrut /// New Shoes (in der Liveversion USFO 02.03.2010)
  2. Darren Hayman feat. Emmy the Great /// Calling Out Your Name Again
  3. The Divine Comedy /// The Complete Banker
  4. Ariana Delawari /// Ziggy Stardust (Bowie-Cover)
  5. Ellie Goulding /// Guns and Horses
  6. Hjaltalín /// Stay By You
  7. Gorillaz /// Empire Ants
  8. Lissie /// Record Collector
  9. Janelle Monáe feat. Big Boi /// Tightrope
  10. Aloe Blacc /// I need a Dollar