Popticker-Lexikon

Popticker-Lexikon: Aufmerksamkeitsmanagement

Aufmerksamkeitsmanagement // In Zeiten der Omnipräsenz der Medien ist die Aufmerksamkeit, die eine Person im Fernsehen erzielen kann, ein seltenes Gut, eine Ressource also, die man verwalten, managen kann. Unseliger Weise war es die Musikindustrie, die als erste Verstand, daß man, wenn man die Aufmerksamkeit chronologisch kanalisiert und damit dramaturgisch strukturiert, Kapital daraus schlagen kann, und sie erfanden die Castingshows. Hier wird Aufmerksamkeit, die den jeweiligen Kandidaten zuteil wird, vermarktet, und um sie zu erzielen, ist diesen Kandidaten zunächst einmal jedes Mittel erlaubt: Singen, Sex, Tumbheit - ­egal. Um dennoch die Illusion hochzuhalten, es ginge um Musik, wurde dem Zuschauer, dessen Aufmerksamkeiten durch die Telekom gemessen wird, ein Kompetenzteam zur Seite gestellt, welches Jury genannt wurde - deren Urteil freilich spielt in den meisten der verschiedensten Reglements nur eine dem anrufenden Zuschauer untergeordnete Rolle. Die Jurys in dem Dilemma durch die Illusion, es ginge um Musik, begründet zu sein, erfanden rationale Kriterien, die einem angeblich Zugang in die Welt des Pops gewähren: Singen können, tanzen können etc. Dabei war und ist Qualität natürlich niemals ein Kriterium von Pop. Unabhängig davon hatte die Musikindustrie mit dem Boom dieser Shows ein ungeahntes Problem: Sie schalteten wochenlange Werbeblöcke für Produkte, die es zum Zeitpunkt dieser Werbung noch gar nicht gab, denn diese Produkte sind die Platten derer, die zur Belohnung für die wochenlangen Strapazen eine machen dürfen. Um diese Platten zu produzieren bleibt dann weniger Zeit, als es zuvor für die Werbung gab, und dieser Umstand hat dazu geführt, daß weltweit noch keine Castingshow in der Lage war, Musik hervorzubringen, die über das Besingen kalt vorproduzierter Hit-Ladenhüter-Tonspuren hinaus geht. Ausnahmen bilden allenfalls Will Young und Lena Meyer-Landrut.


Letzte Lieder

Die CD hat Songs an ihr Ende verbannt

Ich habe keine Statistik, mit der ich die folgende These beweisen könnte, es ist nur eine persönliche Beobachtung, die ich wage zu verallgemeinern: Die ersten Songs auf einer CD werden mehr gehört als die hinteren. Mir ist das bei der letzten Vampire Weekend Cover aufgefallen: Beim Hören kam mir was dazwischen, die CD dudelte im Nebenzimmer weiter, und 20 Minuten später hörte ich Songs, die ich noch gar nicht kannte. Bei den ersten 5 dagegen könnte ich sämtliche Instrumente mitspielen, so ich diese Instrumente beherrschen würde. Ganz neu ist das Phänomen sicher nicht, aber es ist eines, das der Tonträger CD hervor gebracht hat, denn die LP hatte zwei Seiten, und wenngleich man dann vielleicht auch öfter die erste Seite als die zweite hörte, behaupte ich erneut ohne statistischen Beweis, dass letzte Lieder auf CDs seltener erklingen, als B-Seiten bei LPs und deren letzte Lieder 

Nun mag der ein oder andere einwerfen: Was geht‘s mich an? Aber meine Gedanken bei der ganzen Sache waren derer zwei: Erstens schlummern in unser aller CD-Sammlungen möglicherweise tolle Lieder, die wir noch nicht entdeckt haben, weil es sich um zehnte, elfte oder zwölfte Songs handelt. Zweitens habe ich den Eindruck, dass mit der Erosion des Tonträgerformates „Album, das zwei Seiten hat“, auch  bestimmte dramaturgische Ebenen von Songs unter den Teppich gefallen sind - typisch erste Lieder auf zweiten Seiten zum Beispiel oder markant letzte Lieder auf ersten Seiten. Das ist ebenso schade wie unumkehrbar - was man aber machen kann, und damit ende ich auch schon, ist sich seine CDs virtuell selber einzuteilen und schlicht immer wieder einmal nicht mit dem ersten sondern mit dem sechsten oder siebten Lied das Hören beginnen.


LISTEN! LISTEN! LISTEN! (08): Heidi Range

7 bestürzend belanglose Fakten über Heidi Range

01 Heidi Range war 9,5 Jahre Mitglied bei den "Sugabes" - nur Keisha Buchanan war länger Sängerin bei dem Poptrio. 2ypn1no

02 Heidi Range war 1 Jahr Mitglied bei Atomic-Kitten - niemand war kürzer Sängerin bei dem Poptrio.

03 Heidi Range war Teilmehmerin der Show "Dancing On Ice"

04 Heidi Range hat das erste Atomic Kitten-Album komplett eingesungen, auf der Version, die dann erschienen ist, ist sie allerdings nicht zu hören.

05 Das Sugababes-Album "taller in more ways" hat Heidi Range in grossen Teilen zwei mal eingesungen: Einmal in der Besetzung mit Mutya Buena und Keisha Buchanan und einmal mit Amelle Berabah und Keisha Buchanan.

06 Die Singles "About a Girl "und "Wear My Kiss" wurden ebenfalls von Heidi Range zweimal eingesungen - einmal mit Keisha Buchanan und Amelle Berabah, einmal mit Jade Ewen und Michelle Berrabah.

07 In einem Interview mit NME sagte Heidi Range, dass sie für eine Atomic-Kitten-Reunion nur zur Verfügung stünde, wenn sich die Sugababes auflösen würden. Seit der Auflösung der "Sugababes" haben sich aber "Atomic Kitten" nicht wieder-vereint.


LISTEN! LISTEN! LISTEN! (04): The Power Of Love

InterpretInnen und Bands, die ein Lied veröffentlicht haben, das "Power Of Love" oder "The Power Of Love" heißt

The Ambassadors                    Frankie Goes to Hollywood

Rick Springfield *                    Jennifer Rush  

Huey Lewis & The New            Deee-Lite

Jimmie Vaughn                       Gary Wright

Mahavishnu Orchestra             Rob Moratti

Smokie                                  Luther Vandross

Martha Reeve                         Joe Simon

Norris Man                             Future Beat

Guardian                                Afro Tech

Generation 90

* das Lied von Rick Springfield heisst "Tao Of Love", in den meisten Refrains singt er aber von der Kraft der Liebe, was Tao letztlich auch bedeutet

 

Coverversionen der wohl drei bekanntesten "power of love"s - von

FgthFrankie Goes To Hollywood:  Dellé, Jens O & Timo, Ooomph!, Dune, Il Divo (auf Spanisch), G-Club, Michael Wurst, Sunshiners, Linda Carriere, Normfaktor, King Brillo, Zack Lindskog, RTZ, Renovators, ASP, Feeder

Jennifer Rush: Celine Dion , Laura Branigan , Air Supply , Bruno Bertone (Instrumental), David Mc Lauchlan (Instrumental), Nikola , Warren Willis (Panflöte), Niki Evans, Nana Mouskouri, Jennifer-rush-foto-allstar-Dinu Radu (Panflöte), Beat Checkaz, Andrea Bocelli, Leroy Gibbons, V.S.O.P., Peter Humphrey & Oasis Band, Tony Curtis, David Alexander Engelbert Humperdinck, Michael Crawford, Mark Bautista, Go-Rich (auf Holländisch), Yolandita Monge (auf Spanisch), Amanda Miguel (auf Spanisch), Angelo Carrasco (auf Spanisch), Angelika Milster (auf Deutsch), Petra Janu (auf Tschechisch), Amar (auf Indisch), Elisabet Andreassen (auf Schwedisch), Juju (auf Japanisch), HUEYLEWISTeresa Teng (auf Taiwanesisch), Nino De Angelo (auf Deutsch), Mélanie Cohl, Gigi D'Agostino, Ricky King, Richard Clayderman (Instrumental), The Shadows, Sanne (auf Holländisch)

Huey Lewis & The News: The Early November, Gloria Gaynor, Emily Strand, Jive Bunny & The Mastermixers, Normal Generation?, Pigeon Detectives, After the Anthems, I Fight Dragons

 

HINWEIS: Diese Liste ist insbesondere im Bereich Coverversionen noch nicht vollständig und kann in den Kommentaren gerne ergänzt werden - ich werde in den nächsten Tagen noch weiter dran arbeiten


LISTEN! LISTEN! LISTEN! - Die merkwürdigsten Nummer 1 Hits der deutschen Chartgeschichte

Die Doofen      „Mief"                               (1995)

Eiffel 56       „Blue (Dabbadi Dabbadu)“             (1999)

Stefan Raab     „Maschendrahtzaun"                   (1999)

Enigma          „Sadeness“                           (1999)

Anton & DJ Ötzi „Anton aus Tirol“                    (1999)

Las Kanzlern    „Der Steuersong"                     (2002)

De Randfichten  „Lebt denn der alte Holzmichl noch?“ (2004)

Joy             „Schnappi, das kleine Krokodil“      (2004)

Haiduci         „Dragostea din tei“                  (2004)

O-Zone          „Dragostea din tei“                  (2004)

DJ Ötzi & Nik P „Ein Stern, der deinen Namen trägt“  (2007)

 


Nicht mehr alle Tassen

Nach Bitten von drei Lesern und zum Start der neuen Staffel von „GNTM“ noch mal der Text über die Klummug vom September 2009

In einem Interview hat Heidi Klum kürzlich ihr Leid geklagt, sie sei zum Produkt geworden. Ja die arme, arme Heidi! Der Popticker sagt dazu: Wer Model ist, muss Klummug halt damit leben, Produkt zu sein ­ beispielsweise eine Tasse. Auf ebay kann man nämlich eine Tasse kaufen, auf der das Konterfei von Heidi Klum drauf ist. Eine Heidi- Tasse oder, wie der Amerikaner sie nennt: eine Klummug. Bezüglich der Tasse könnte Heidi also klagen: "I’ve become a product, for exa2mple: a Klummug." Klummug, dieses Wort ist toll. Es stammt natürlich aus dem amerikanischen, ich weiß, aber wenn man das dann wiederum deutsch ausspricht, dann klingt es irgendwie wie Humbug. Macht das mal, sprecht das mal laut auf deutsch aus: Klummug. Klummug. Und noch mal: Klummug. Eine Klummug ist mit dem Foto von Heidi bedruckt worden, und wenn Heidi sich schon beschwert, sie sei zum Produkt geworden, dann frage ich mal die Heidi, was denn da die Tasse sagen soll. Erst war sie eine friedliche Tasse, nun ist sie eine Klummug. Und Heidi lebt ja aus freien Stücken ihr Leben als Model, währenddem die Tasse niemand gefragt hat, ob sie ein Foto von Heidi auf sich haben will. Man könnte fast das alte Lied vom Karl dem Käfer umdichten, so in etwa: "Mug die Tasse wurde nicht gefragt, man hatte sie einfach geklummugged." Oder man singt das Lied auf Heidi, deren Welt die Berge sind, so: "Heidi! Heidi! Deine Fresse ist auf der Tasse! Heidi! Heidi! Denn auf der Tasse bist du jetzt drauf!" Da könnte man den Popticker aber auch mal fragen: Wer braucht solch bescheuerten Lieder?

 


Lena und der Wolf

Absolute Mehrheit für Olaf und „Taken by a stranger“

 Am Abend des Triumphes von King Olaf Scholz, dessen Trockenheit die Tagesschausprecherin Caren Miosga mit der eines britischen Butlers verglich, diskutierte Anne Will nach Tatort und Sonder-Tagesthemen den möglichen Plagiatsgehalt der Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg. Als sie unmittelbar nachdem Martin Wuttke alias Kommissar Keppler doch nicht nach Wiesbaden wechselte, bereits kurz ihre Gäste vorstellte, fragte man sich schon, was um Alles in der Welt Dieter Wedel und Alice Schwarzer zu diesem Thema zu sagen hätten, und als als dann das Gespräch losging - kurz nach den Schalten in die Hamburger Parteizentralen, bei denen völlig überraschend berichtet wurde, dass die Stimmung bei der SPD prächtig und bei der CDU sehr schlecht war - da verstärkte sich also der Eindruck, dass Polittalkshows inzwischen ihre Gästelisten nach einem google-ähnlichen Algorithmus austüfteln, um sich dann einige Stunden vor der Sendung für ein Thema zu entscheiden. Alice Schwarzer und Dieter Wedel jedenfalls befanden zunächst, es gäbe doch sicherlich Wichtigeres als die Doktorarbeit von zu Guttenberg, und schienen völlig vergessen zu haben, einer Einladung, über genau dieses Thema Bild 1 zu reden, gefolgt zu sein. Schwarzer war zudem erschreckend unvorbereitet und kannte nicht einmal ansatzweise den Stand der Dinge, während Sich Anne Will staatstragend bemühte, stets einen in der Sendung neu entstandenen Stand der Dinge vorzutäuschen. So nahm man lethargisch zur Kenntnis, dass es nicht möglich ist, einen Doktortitel ruhen zu lassen, und zum Glück liessen wir dann auch Anne Will und ihr Suggestionsgeplauder einstweilen ruhen.

Sicherlich hätte man Schwarzer und Wedel auch dazu befragen könne, was sie denn von Lena-Meyer Landrut und ihrem Lied für Düsseldorf hielten, und keiner der beiden hätte bemerkt, dass das Thema gewechselt hat. Und so hoffe auch ich, das nun niemand merkt, dass ich das Thema gewechselt habe: „Written by a stranger“ - so heisst die Doktorarbeit zu Karl-Theodor von Guttenberg. Es ist eine für Lena / Raab-Gebrauchspop-Verhältnisse fast schon psychedelische Elektropopnummer mit einem merkwürdig verfliessenden Beat und hochgradig merkwürdiger Melodie, und was immer man nun also vom Raabschen Liedercasting halten mag, so muss man ihm und dem Wahlvolk doch zu Gute halten, dass Olaf Scholz der beste Song ist, der auf Lenas Album zu finden ist. Ob „Taken by a stranger“ auch der beste aller möglichen Grand Prix-Titel von Lena ist, sei ebenso dahin gestellt, aber Stefan Raab ist sich seiner Sache da ziemlich sicher, und er hat nun wahrlich schon mehrfach bewiesen, dass er den europäischen Sängerwettstreit wie kaum ein anderer durchdrungen hat.

Die Show vom Freitag selber, die ich nicht zusammen mit Dietmar Poppeling Revue passieren lassen kann, weil der sich am Freitag im Nürnberger Stadion befand und das Spiel gegen Eintracht Frankfurt live verfolgte und sich zudem seither weigert, Lenas Auftritte im Internet anzusehen, war geprägt von einer schieren Überkompensation des nicht vorhandenen Personenwettstreits: Mit dem Finale von sechs aus zwölf Songs war es nicht getan, es mussten erst noch zwei Lieder in ein Finale im Finale gewählt werden, welche dann von Lena noch mal gesungen wurden, und erst dann wurde die Wahl getroffen, die bis dahin jeder erwartet hatte: „Taken by a stranger“ wird Lena in Düsseldorf zum Besten geben, ich hatte das angedeutet. Stefan Raab beschrieb das Lied als eine „Peter und der Wolf“ der Popmusik, weil es einen epischen Charakter hat, und in der Tat ist es ein Song, der Lenas Bühnenpräsenz am Ehesten Raum lässt, weil sie hier eine Geschichte erzählen kann, wie es für Popmusik an sich und beim Grand Prix im Speziellen doch recht ungewöhnlich sein dürfte. Dieser Eindruck wird durch die Tatsache verstärkt, dass das Lied in seinen vorgeschriebenen 3 Minuten deutlich länger aber auch beim dritten Hören an einem Abend nicht langweiliger wirkt. Zudem hat die Nummer etwas ungehört Neues und gleichzeitig einen Wiedererkennungsfaktor, und dieser Widerspruch in sich ist ja das, was der Popticker als wichtigsten Effekt von Popmusik immer wieder zu betonen versucht. Bei mir stellte sich nebenbei bemerkt nur eine Liedassoziation ein: „Blue Night Shadow“, eine 80erjazzpoptypische Nummer, deren Interpreten mir auch drei Tage ohne Google nicht eingefallen sind. Natürlich kann man nun auch weiterhin die Diskussion führen, ob es für die Karriere von Lena wirklich sinnvoll ist, sie den Eurovision-Titel verteidigen zu lassen, und auch ich finde wie gesagt, dass bei der Auswahl des Liedes zumindest die letzte Runde, das Stechen zwischen „Taken by a stranger“ und „ Push Forward“ eine Runde zu viel war, aber bemerkenswert ist dennoch, dass das eindeutig beste Lied gewonnen  hat, und es kann gut sein, dass Raab mal wieder alles richtig gemacht hat, so sehr man auch im Vorfeld über ihn meckern mag. Der Song erhielt im Stechen jedenfalls eine absolute Mehrheit von 79%, die nicht einmal Olaf Scholz erreicht hat. Die restlichen 21% Prozent befanden die Doktorarbeit für ein Plagiat.


Poptoposisotopenoption

Ein Poptopos ist ein inszeniertes Bild, ein für die Bildflächen des Pop inszeniertes, mögliches Ereignis, durch das sich ein Image des jeweiligen Interpreten sichtbar machen läßt. Ein Medium des Poptopos kann der Skandal sein, er muß es aber nicht. Der Gestus des Inszenierten kann dabei genauso beabsichtigt (zum Beispiel: Gwen Stefani als Alice im Wunderland) als auch von den Bildflächen des Pops herbei geführt sein (zum Beispiel: Kate Moss kokst). Unabhängig von seinem Regisseur ist ein Poptopos in diesem Sinne das gleichzeitig kleinst- als auch größtmögliche Pseudoereignis. Eine wichtige Eigenschaft des Poptopos ist seine Fähigkeit, Isotope zu bilden (isos topos = gleicher Platz) - in gleicher chemischer Zusammensetzung also leicht variiert zu werden. Hierbei spricht man dann von der Poptoposisotopenoption.