Zweimal Pop in Startblöcken: FALK und Julita
Ein Gestus von Pop als Solchem ist ja immer auch das Behaupten der eigenen Angesagtheit, und naturgemäss wirkt dieser Gestus immer dann merkwürdig, wenn, wer von sich behauptet, angesagt zu sein, gar nicht angesagt ist. Insofern hat man, wenn frau nicht all zu bekannt ist, die Wahl, entweder auf erwähnten Gestus zu verzichten, wodurch man dann halt auch auf ein Merkmal von Popmusik verzichtet, oder aber, es wird vorgeprescht und man riskiert, dass die Leute erkennen, dass zwischen Gestus und Wahrheit eine große Lücke klafft. Möglicherweise ist genau in diesem Dilemma der Grund dafür zu suchen, warum Karrieren im Pop auch heute Zeit brauchen - Gestus und Realität müssen erst in irgendeinem Einklang münden, bevor man eine stimmiges Image als Popstar repräsentiert - auf social media, in Videos, in allen Erscheinungsmedien. Und wer sich über all diese Dinge Gedanken macht, hat noch lange nicht musiziert.
Das sind Gedanken, die mir durch den Kopf gehen, seit mir zunehmend Promo-Firmen Interpreten, Songs und Alben von noch nicht all zu bekannten Acts schicken, um darüber zu schreiben (siehe Rubrik „neuer Pop in alten Schläuchen“. Fast alle dieser Interpret:innen singen deutsch, allesamt sind sie noch nicht all zu bekannt oder etabliert, völlig am Anfang stehen aber auch die Wenigsten.
So auch FALK, der soeben die dritte von fünf geplanten Singles mit deutschen Texten veröffentlicht hat. Der Song heißt „Alles mit Dir“ und begegnet oben erwähntem Dilemma mit dem eigenen Verschwinden hinter Lied und Video, in dem man verschiedene Paare beim Flirten und Schmusen zusieht. Der Song wiederum kaschiert die Tatsache, dass er eine Ballade ist, mit verschleppter Blues- Rhytmik in Intro und Refrain, und lässt sich nur in den Strophen auf tragende Flächen samt „Ooohs“ und Uuuhs“ ein - klassischer Deutschpop könnte man sagen. Aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser Sänger, der seine eigenen Lieder schreibt, ein wenig mehr kann, und sich vielleicht mehr in Rock trauen könnte - oder eben, womit wir bei oben erwähnten Behaupten der eigenen Angesagtheit wären: Der könnte ein wenig forscher auftreten, dieser FALK. „Alles mit Dir“ traut sich nicht ganz nach vorne.
Die Ballade lässt Julita zu: Ihre Single „heimlich Weinen“ zerfliesst fast schon an den wenigen Klavier-Akkorden, aber dann hält das Ganze ein trappiger Beat zusammen, und ehe man sich es versieht, bekommt auch noch ein Gast-Rapper ein paar Zeilen. Wo andere auf die Mechanik einer Kunstfigur vertrauen, setzt Julita auf ein die Authentizitäts-Karte, eine Frau, die sich zum Weinen zurück zieht, damit man sie nicht leiden sieht. Mithin als Gestus auch denkbar ungeeignet, um die eigene Angesagtheit zu behaupten, aber genau das kann man der jungen Sängerin auch zugute halten: Ihre Piano-Trap-Ballade klingt im Abgang schon sehr ohrwurmig und auf Höhe der Zeit. Ich muss allerdings auch sagen, dass das so gar nicht meine Wiese ist, aber viele Wiesen, die nicht mir gehören, sind dennoch Wiesen, und „heimlich weinen“ ist sicherlich auch gute Popmusik.
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