060924 ::: Junge Sängerinnen, die nach 90s Postpunk und Indierock klingen, sind im Trend, und so könnte man die junge Damona aus Bayern eben mit diesen zwei Siegeln versehen und hätte nicht falsch sortiert: Gitarrenpop, check, trendet, check - aber damit stiehlt man sich auch aus der Verantwortung, etwas über Damonas Musik zu sagen. Ihre neue Single "NO", heute, Freitag den 06.09. erschienen, ist voller kanalisierter Wut und geht ordentlich nach vorne. Der Song handelt von der Ermutigung zum Nein-Sagen, Nein-Schmettern, Nein-Rausschreien - als Attitüde vermutlich so alt wie Rock N’ Roll per se - aber wenn man bei 18-Jährigen immer sagt: „Ach, kenn we schon, verkennt man, dass das, was für uns klingt, als kennen wir es schon, für Jemenschen, die das musizieren, vielleicht der eigene Song ist, der zum ersten Mal so klingt. Oder: Wenn ich mit 52 das in anderen Popentwürfen schon mal gehört habe, heißt das noch lange nicht, dass ein nach Vorne drängender Rock nicht zu Identifikation einlädt: Ich bin hier nicht die Zielgruppe. Für die, die es sind: Guter Song. Zuhören und junges Ohr trainieren. ::: Damonas Website findet ihr < HIER > ::: "LaBrassaBanda“ bleiben im Titel ihrer neuen Single ihrer Vorliebe für den Mitlaut „A“ treu: „Space Bäda“ heißt die neue Single und also rahmen zwei «A» je ein «E» und ein «Ä» - natürlich also geht es hier primär um den Klang vor Worten, mehr als jedenfalls der semantische Code hinter den Worten, und gerappt wird hier zudem im klassischen Brassa-Bayrisch, wo ich zumindest als hessisches Wahlnordlicht kein Wort verstehe. Ich weiß gar nicht, ob „LaBrassaBanda“ überhaupt auch zuhause gehört werden, aber wer diese Musik mal live erlebt hat, muss sie lieben. Auch „Space Bäda“ wird mutmasslich ein Klassiker auf den Ausrast-Setlisten dieser Eigenen-Liga-Formation. ::: Das Video zu "Space Buda" findet ihr < HIER > ::: Die Volksmusik-Band vom Chiemsee ist inzwischen auch schon über 15 Jahre am Start, aber darüber können „Steine“ nur müde lächeln: Der Bluesrock ihrer neuen Single „kilometerweit“ speist sich aus einer 30jährigen Band-Geschichte und kommt daher auch aus einer Zeit, in der sich nur sehr mässig am Erfolg interessierte Bands für deutsche Texte entschieden - die Steine waren damit der Zeit voraus und kommen nun mit neuen Veröffentlichungen schon fast wieder zu spät, um noch vom Deutschpop-Buffett zu profitieren; und vermutlich täte man ihnen auch Unrecht, ihre Musik als Deutschpop zu bezeichnen. „Kilometerweit“ hat jedenfalls einen ganz pfiffig doppelbödigen Text, den man individualistisch und also über das Misslingen von Liebe oder aber gesellschaftlich und daher über Vereinsamung interpretieren könnte. Das Video dazu ist von etwas schrulligem Anachronismus und in Partykellern sowie Doppelhaushälften gedreht und erzählt daher freiwillig wie unfreiwillig komisch von deutscher Mittelstandsprovinz. ::: Besagtes Video der Steine findet sich < HIER > (Premiere 06.09. um 17 Uhr) ::: Missy Higgins erzählt hingegen von einem "Crater" (Krater) in ihrem Wohnzimmer, wo so ein Krater natürlich ein wenig peinlich ist, weil man Gäste immer drauf hinweisen muss, einen Bogen um ihn zu machen, damit niemand reinfällt. Leichte Surrealismen als Allegorien auf seelische Zustände und menschliche Gefühle sind seit je her eine lyrisches Mittel in Higgins’ Songtexten. Wenngleich ihre musikalischen Ideen nicht immer von derartigem Ideenreichtum wie ihre Texte sind, bin ich als Fan erster Stunde sowieso von jedem neuen Lied angetan - Missy Higgins kann von mit aus das Telefonbuch singen, und ich wäre begeistert. Einstweilen verkürze ich mir die Wartezeit auf das gerade bestellte Album mit diesem wunderbaren neuen Song der Australierin. ::: Das Video zu Crater findet ihr < HIER > ::: 060924
In die Ferne zurück schweifen
29. März 21
Ein paar Gedanken zum Mittelalter-Rock anlässlich einer neuen Platte von „dArtagnan“
Wo wir es ja gerade einen Post weiter oben von Subsubgenres auf Spotify hatten, die mehr auf algorithmischen Prinzipien fussen, bekommen wir es heute bei mit einem durchaus musikalischen Subsubgenre zu tun (oder Subsubsub?). Hinter dem zudem, laut Eigenaussage der betreffenden Band, eine philosophisch-ideologische Grundhaltung steckt - die Rede ist hier vom Musketier-Rock. Erfunden hat diesen die Band „dArtagnan“, und die erwähnt philosophisch-ideologische Grundhaltung ist, ihr ahnt es, der Schlachtruf der Musketiere: Alle für einen, einer für Alle. Was immer das nun musikalisch bedeuten mag. Grundsätzlich ist der Musketier-Rock natürlich eine Spielart des Mittelalter-Rock, um nicht zu sagen: Gleicher Met in alten Schläuchen - die meisten Mitglieder der Band spielen denn auch in anderen Mittelalter-Kombos, zum Beispiel bei „Feuerschwanz“, mit denen ich mich hier im Blog auch schon beschäftigt habe - < hier >. Im Klangbild von „dArtagnan“ hört man zwar nicht so viele mittelalterliche Instrumente wie bei anderen Vertreter:innen dieses überaus erfolgreichen Subsubsubgenres, aber die mummenschanzische Verankerung in der Ritterzeit funktioniert im Sound des reinen Rock klassisch über die Scharniere mittelalterlicher Melodien und einen entsprechenden Wortschatz, aus dem sich die typischen Songtexte eines Mittelalter-Songs bauen lassen: Wetter, Feuer, Gelage, Zusammenhalt, Blut und Durchhalteparolen. Daraus ergeben sich dann hübsch doppeldeutige Singalongs: „Heho, denn wir sind Glücksritter!“ oder „Wer nicht kämpft hat schon verloren, wer nicht fällt, steht nicht mehr auf.“
Erstaunlich an dieser Musik ist, dass sie ihr eigenes Regelbuch mitliefert - die Formel aus den genannten Zutaten eine Musik zu brauen, ist weitest gehend immer dieselbe, und diese Musik ist in diesem Sinne wie meistens im Pop im Grunde bewahrend, konservativ. Verblüffend ist, mit welchem Feuereifer diese Formel in Musik umgesetzt wird, und wie musikalisch versiert man in diesem Subsubsubgenre also zu Werke geht - auch bei „dArtagnan“. Im Mittelalter-Rock ergibt sich daraus im Allgemeinen ein augenzwinkernder Bierernst, der sich, wie schon öfter über andere Mittelalterbands in diesem Blog beschrieben, trefflich ironisch deklinieren lässt. Im Fall von „dArtagnan“ und ihrer neuen Platte „Feuer & Flamme“ ist verblüffend, mit welchem Ernst sie ihren Musketier-Rock zelebrieren. (Ich habe schon überlegt, auch eine Musketier-Rock-Band zu gründen. Arbeitstitel: porThos. Das wäre der zweite Vertreter in diesem Segment, auf dem also noch Platz ist.) Jedenfalls verschwimmt durch die ironische Distanz zum überzeugtem Ernst der Eskapismus, der dieser Musik natürlich trotzdem innewohnt. Man wird gleichzeitig woanders hin mitgenommen und zurück geschickt. Oder anders gesagt: Die Refrains mit Mitgröhl-Charakter holen die entrückten Hörer:innen dann auf den Boden der heutigen Tatsachen zurück. Mithin ist diese Musik also keinesfalls so unterkomplex, wie man im ersten Moment denken mag.
Trotzdem ist es schwierig, ein Anliegen der Band zu erspüren, das über die ja letzten Endes abstruse Idee, Musketiere Rock spielen zu lassen, hinaus geht. Vermutlich ist aber genau das Zurückholen in die Jetztzeit mit erwähnten Singalongs, die mithin oft Durchhalteparolen sind, Grund genug, sich für diese dadurch weniger abstruse Musik zu ereifern - musizierender wie hörender Weise. Und das ist ja auch durchaus ein erstaunlicher Popeffekt, vielleicht sogar ein konstatierender im Allgemeinen, wenn das Ferne, in die Popmusik entführen kann, nicht das Mittelalter sein muss. Vielleicht also ist Musketier-Rock letzten Endes genauso wenig abwegig wie Gangster-Rap.